Festivalbericht zum 9. Internationalen Fußballfilmfestival 11mm

Wirbel um einen alten Film


Der Grüner Teppich vor dem Kino Babylon, Foto: Martin Daßinnes

Der Grüner Teppich vor dem Kino Babylon, Foto: Martin Daßinnes

Bereits eine Woche vor Anpfiff zum 9. Internationalen Fußballfilmfestival 11mm vermeldeten die 11mm-Mannschaft Erstaunliches: Ausverkauftes Haus für die Eröffnung mit der Weltpremiere von Sepp Maiers „wahrem Sommermärchen“ „We Are The Champions„. Eine Sondervorstellung direkt im Anschluss an die Festivaleröffnung sollte Abhilfe schaffen. Auch die war in Windeseile ausverkauft, genau wie die drei folgenden Vorführungen im Babylon Mitte, der Heimstätte des Festivals.

Während sich die „Katze von Anzing““, wie Maier wegen seiner geschmeidigen Bewegungen zu Zeiten als Nationaltorwart der deutschen Elf genannt wurde, ob der Begeisterung über „soviel Wirbel um einen 22 Jahre alten Film“ wunderte und geschmeichelt konstatierte: „Die sind doch alle völlig verrückt!„, standen die Fans und Nostalgiker Schlange. Ein für das Festival neues Medienaufkommen hatte den Boom um Maiers Homevideo ausgelöst. Kein Medium, das etwas auf sich hält, kam an dem Fundstück vorbei. Fußballfilm goes Pop.

Schon Tage vor der Weltpremiere des 22 Jahre alten Homevideos, das Maier ursprünglich als Andenken für die Teammitglieder erdachte, schmückten Bilder des nackten Lothar Matthäus, dessen Blöße der Weltpokal verdeckt, von Ex-Kanzler Kohl nach Abpfiff in der Kabine der frisch gekürten Weltmeister oder eines entrückt Zigarre paffenden Pierre Littbarski die Gazetten. Bei der Eröffnung folgte die große Show des Sepp Maier, der als einer der Hauptdarsteller des letztjährigen Siegerfilms „Meister vs. Meister„, schon so etwas wie ein Stammgast des Fußballfilmfestivals ist. An seiner Seite verkam Sportschau-Legende und Moderator Heribert Faßbender, der sich sein in rund 400 Ausgaben der ARD-Sportsendung bewährtes „’n Abend allerseits“ verkniff, zum Stichwortgeber. Applaus auf offener Szene für die Ikone, der zwar mit seinen Nachfolgern mitfiebere, denen aber auf den Weg gab, doch Bitteschön erstmal Weltmeister werden zu müssen.

Das Video, das nach dem Filmfest wieder in den Archiven verschwindet, nimmt seine Zuschauer mit auf den langen Ausflug von Beckenbauers späteren Weltmeistern. Steht zu Beginn noch die überaus gepflegte Luxus-Hotel-Anlage im Fokus, nähert sich Torwarttrainer und Hobby-Regisseur Maier seinen Kameraden stetig weiter an. Über Bootsausflüge, Massagen und gepflegtes Miteinander nimmt das Werk getrieben von der Realität an Fahrt auf. Über die Gruppenphase und unvergessene Spiele gegen Holland, Tschechien und England erreicht die Truppe das Finale gegen Maradonas Argentinien. Mit Maier zittert sich der Zuschauer dem Abpfiff entgegen, Publikum und die Helden auf der Leinwand verschmelzen zu einem Ganzen. Dass der ein oder andere der Kicker nackt ist, spielt längst keine Rolle mehr. In diesem Moment sind alle im Babylon Weltmeister. Maiers große Leistung liegt in seinem Gespür, die Kamera in den richtigen Momenten laufen zu lassen. Er sorgt für eine unwirkliche Intimität zwischen den Akteuren vor und auf der Leinwand, die beispielsweise Sönke Wortmanns „Sommermärchen“ in der Form nie erreichen konnte.

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