Einblicke in die Sektion Generation der 64. Berlinale

Zerbrochene Strukturen, große Herausforderungen und ein bisschen Magie


Schweden ist nicht Bullerbü, das vermittelt Sofia Norlins Debüt "Ömheten" eindrücklich. Foto: Berlinale

Schweden ist nicht Bullerbü, das vermittelt Sofia Norlins Debüt „Ömheten“ eindrücklich. Foto: Berlinale

Sektions-Leiterin Marianne Redpath betont die „zerbrochenen Strukturen“, welche viele Filme aufzeigen. „Oft geht es um Dinge, die man nicht sieht. Das ist eine Herausforderung für die Zuschauer von 14Plus.“ Einer dieser besonders herausfordernden Filme ist „ärtico“ aus Spanien. Regisseurin Gabri Velásquez zeigt das Leben von Simon, Jota, Debi, Lucía und Alba, alle zwischen 18 und 20 Jahre alt. Und alle ohne Perspektive. Sie hängen rum, völlig verloren und irgendwie vergessen. „Jeder will das, was er nicht hat“ heißt es in der Synopsis zum Film, was vor allem auf die familiäre Situation abzielt. Simon hat einen dreijährigen Sohn – alles andere als ein Wunschkind – und lebt mit seiner Großfamilie in einem kleinen Haus irgendwo in Salamanca. Ein Albtraum für ihn, aus dem er so oft wie möglich mit seinem besten Freund Jota ausbricht. Dieser wünscht sich nichts sehnlicher, als eine Familie und ist gar nicht so unglücklich, als seine Freundin Debi ungeplant schwanger wird. Doch Debi sträubt sich völlig, mit Mühe verhindert Jota eine Abtreibung, doch es nimmt keinen guten Lauf. Neben dem familiären Aspekt, der Velasquez besonders wichtig ist, ist es vor allem eine berufliche Perspektive, die den fünf jungen Menschen völlig fehlt und die das Ganze so trist und hoffnungslos macht. Eine Familie ernährt sich nicht von Luft und Liebe und schon gar nicht von Luft allein. Diese totale Perspektivlosigkeit wirkt erstickend. Und so ist „ärtico“ eine dieser besonderen Herausforderungen, die sich den jungen Zuschauern bei der diesjährigen Berlinale stellt.

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Einen ähnlich düsteren Einblick in das Leben von Altersgenossen in einem anderen europäischen Land gibt „Ömheten„. Schweden ist nicht Bullerbü, das vermittelt Sofia Norlins Debütfilm eindrücklich. Ihr Film spielt in Schwedens nördlichster Stadt, Kiruna, in der Tag und Nacht die Erde bebt. Als Siedlung für das gleichnamige Eisenerzbergwerk entstanden, wird das Leben aller Bewohner von der Mine bestimmt. Die Zeiten für die Sprengungen werden im Radio durchgesagt und dann wackeln die Stühle, Gläser fallen klirrend zu Boden und der Schnee rieselt unheilverkündend von den Bäumen. Mit langen Einstellungen und spärlichen Dialogen erzählt Norlin vom Aufwachsen in einer Stadt, die melancholisch macht. Das Wort „Ömheten“ bedeutet so viel wie „Zärtlichkeit“. Diese findet sich nur ganz sparsam, wirkt dafür aber umso intensiver. Norlins Debüt ist auch so eine Herausforderung, eine Ansammlung „zerbrochener Strukturen“.

Erfrischend skurril und mit tollen Bildern kommt der niederländische Beitrag „Supernova“ daher. Atmosphärisch dicht und mit einer atemberaubend schön-verschwurbelten Hauptdarstellerin (Gaite Jansen) erzählt der Film von Tamar van den Dop vom Warten auf den Aufbruch. Die 16-jährige Meis wohnt mit ihren Eltern (Tamar van den Dop, Bob Schwarze) und ihrer Oma (Helga Boettinger) in einem Häuschen irgendwo im Nirgendwo. Einzig die Lage des Häuschens ist aufregend, denn es liegt an einer scharfen Kurve, die gefährlich für Autofahrer ist. Meis wartet sehnsüchtig darauf, dass ihr Traumprinz ins Haus kracht. Gar nicht so unwahrscheinlich, schließlich ist genau das schon ihrem Vater und Großvater passiert. Bis dahin gibt sich das Mädchen ihren Tagträumen hin und nimmt die Zuschauer mit in ihre kleine Welt, in der nichts, aber so gar nichts passiert. Ihre eigenwillige Perspektive auf dieses Nichts ist hinreißend.

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