Interview mit Fantasy Filmfest-Organisatorin Frederike Dellert


Festivalorganisatorin Frederike Dellert

Horror, das bedeutet nicht nur literweise Kunstblut und zerfetzte Leiber. Der Horror im Kopf, die Angst vor etwas, das man nicht sieht, ein Schatten im Halbdunkeln, das Knarren einer Tür: Das Fantasy Filmfest kennt alle Facetten des Schreckens. Und es gibt dem Schrecken alljährlich eine große Bühne. In seiner mittlerweile 24. Ausgabe werden Produktionen aus fast allen Kontinenten der Welt zu sehen sein. Das hat uns Festivalorganisatorin Frederike Dellert im Interview verraten. Sie beantwortete uns vor Beginn des Horrorfestes ein paar Fragen.

Berliner Filmfestivals: Hatten Sie schon immer ein Faible für Horrorfilme?
Frederike Dellert: Ja, wobei ich mich erst relativ spät herangetastet habe. Als Kind, bzw. Jugendliche haben mich diese Filme nicht sehr beschäftigt. Meistens haben sie mich sogar geängstigt. Später hat sich das geändert, ein wichtiger Einstieg waren die Filme von Dario Argento. Die habe ich damals alle am Stück gesehen und das auch nie bereut. (lacht)

BF: Erinnern Sie sich noch an ihren ersten Horrorfilm?
Dellert: Am Anfang standen natürlich ganz klassisch die Dracula-Filme. Ein Film, den ich auch früh gesehen war „The Blob„, das Original aus den 50er Jahren. Der hat mich jahrlang schlaflose Nächte gekostet. Eine der extremsten Reaktionen, die ich je hatte, war beim ersten „Star Wars„-Film. Mein Vater hat mich als Kind in ein Kino in New York mitgenommen und am Ende des Films musste ich mich übergeben. Die Größe des Kinos war einfach überwältigend und dann dieser Film, das hat mich umgehauen. Wichtig war natürlich auch die „Tanz der Teufel„-Reihe. Und „Dawn of the Dead“ von George A. Romero.

BF: Die Faszination ist bis heute geblieben?
Dellert: Natürlich. Vor allem aber überrascht mich das Genre als ganzes. Auch wenn ich heute eine geübtere Sicht auf alles habe, analytischer an die Sache gehe, bin ich immer wieder beeindruckt, wie viel Originalität hinter vielen Arbeiten steckt. Gerade junge Regisseure beginnen ihre Karriere oft in diesem Genre. Sie gehen nur selten ausgetretene Wege. Probieren sich aus und wollen etwas entdecken. Das hält das Genre jung und interessant.

BF: Seit wann gehören Sie zum Fantasy Filmfest-Team?
Dellert: So genau weiß ich das gar nicht mehr. Ich glaube seit 16 Jahren, damals war ich noch Studentin und habe neben meinem Studium beim Filmfest gearbeitet. Die Organisatoren haben ziemlich schnell mitbekommen, dass mich das alles sehr interessiert hat und ich mit viel Spaß bei der Sache war.

BF: So einfach wird man also Festivalorganisatorin …
Dellert: Ja. So schnell kann es gehen. Und ich habe bis heute keinen Moment bereut. Es ist immer noch alles sehr spannend.

BF: Die erste Ausgabe des Fantasy Filmfest fand 1987 in Hamburg statt, mit insgesamt 1000 Besuchern. Heute findet es in acht Städten statt, mit einer Besucherzahl von über 120.000 Zuschauern. Wie erklären Sie sich diesen Erfolg?
Dellert: Man kann bei unserem Festival die Filme entdecken, die es nicht ins Kino schaffen. Und wir zeigen sie in der Originalfassung. Wesentlich ist auch die Stimmung. Es treffen sich hier Menschen, die eine gemeinsame Leidenschaft haben. Viele der Zuschauer, die das Festival einmal besuchen, bleiben auch dabei, denn obwohl wir mittlerweile ziemlich groß geworden sind, ist die Atmosphäre noch ziemlich intim. Wir versuchen auf das Feedback der Fans einzugehen und suchen den Kontakt zum Publikum. Wir sind morgens bis abends im Kino und stehen auch für die Pannen gerade, die bei einem Festival solcher Größe passieren.(lacht) Letztlich hat es auch viel damit zu tun, dass wir mehr und mehr von der Filmbranche unterstützt wurden. Mittlerweile dürfen wir uns unser Wunschprogramm zusammenstellen.

BF: Das Festival zeigt nicht nur Fantasy- und Horrorfilme, ein grundlegender Fokus liegt auch auf Filmen aus Asien. Seit wann gibt es die Sektion „Focus Asia“ im Programm?
Dellert: Das weiß ich gar nicht mehr so genau. Als ich zum Festival kam, fing es gerade an, dass viele asiatische Produktionen auch hierzulande gezeigt wurden. Im Grunde wollten wir mit dieser Sektion zeigen, dass der asiatische Film etwas außergewöhnliches ist. Viele Filme sind in ihrer Struktur anders aufgebaut als das, was man sonst so gewöhnt ist. Viele beginnen unglaublich ruhig und lassen es erst nach hinten raus richtig krachen. Das ist eine ganz andere Art der Filmkunst.

BF: In den ersten Ausgaben des Festivals wurden neben aktuellen Filmen auch Klassiker gezeigt. Gab es in den letzten Jahren mal die Idee, das zu wiederholen oder sogar eine Retrospektive mit in das Programm einzubauen?
Dellert: Unser größter Konkurrent ist das digitale Medium. Viele Filme sind in sehr guter Qualität auf DVD oder Blu-Ray verfügbar. Da ist es sehr schwer, so etwas zu machen. Wir haben einfach nicht die Möglichkeiten, die Nachfrage nach Retrospektiven war auch immer bescheiden. In den 80ern war das anders, da konnte man viele Filme sonst nirgendwo sehen.

BF: Viele Kinos arbeiten jetzt mit digitalen Vorführtechniken. Kleinere Kinos zeigen Kopien auf DVD. Setzen sie weiterhin auf den 35-mm-Film?
Dellert: Eine DVD bedeutet immer einen großen Qualitätsverlust. Dagegen haben wir uns immer versucht zu wehren. Wir zeigen auch in diesem Jahr fast ausschließlich 35-mm-Filme. Aber es gibt jetzt einen großen Umschwung in der Branche, gerade wegen des Erfolges von „Avatar„. Wir wagen uns in diesem Jahr das erste Mal an DLP-Festplatten ran, da unsere Kino die verstärkt einsetzen. Ich persönlich bin aber ein totaler Fan des 35-mm-Films, weil es ein bewegtes Bild ist. Digitale Filme besitzen mehr Perfektion und haben einen tollen Sound, wirken aber kälter. Letztendlich ist es immer Geschmackssache. Doch der 35-mm-Film wird irgendwann aussterben, da das digitale Format schlichtweg kostengünstiger ist.

BF: In den letzten Jahre ruht sich die amerikanische Filmbranche auf Neuverfilmungen bzw. Reboots erfolgreicher Reihen aus. Dagegen hat sich Frankreich in den letzten Jahren mit ultrabrutalen Filmen wie „Frontier(s)“ oder „Martyrs“ hervorgetan. Ist ihnen bei der diesjährigen Filmsichtung ein aktueller Trend aufgefallen?
Dellert: Mit Remakes haben wir uns ohnehin immer zurückgehalten. In diesem Jahr zeigen wir nur „The Experiment„. Frankreich ist mittlerweile ein wichtiges Genreland für uns. Aber auch England ist ganz stark geworden. Von dort kommen sehr extreme und harte Horrorthriller und Rachefilme. Spannende Sachen wie „Harry Brown“ mit Michael Cain in der Hauptrolle. In den letzten Jahren gibt es auch verstärkt Filme aus Süd- und Lateinamerika,etwa aus Chile und Argentinien. Dieses Jahr haben wir sogar zwei Filme aus Mexiko: „We are what we are“ und „Backyard„. „Backyard“ beschäftigt sich mit der Situation von Frauen in der Grenzstadt Ciudad Júarez. Ein sehr harter Film, der aber ganz verschiedene Aspekte und Subtexte zeigt. Es gibt diesmal sogar einen Film aus Uruguay. Unser erster Film aus diesem Land. Es ist glaube ich sogar der erste Horrorfilm, der dort überhaupt produziert worden ist. Die Zombiewelle ist natürlich immer noch da. Vampire sterben auch nicht aus, das liegt in der Natur der Sache. (lacht) Mich freut vor allem der Trend hin zur Verbindung von Horror und Arthouse. Da gibt es fantastische Visionen, etwa „The Human Centipede“ von Tom Six oder unser Centerpiece „Chatroom„.

BF: Mit deutschen Horrorfilmen sieht es dagegen noch immer schlecht aus. Gibt es überhaupt einen deutschen Horrorfilm?
Dellert: Deutsche Horrorfilme gibt es nur selten und meistens kommen wir auch nicht zusammen. Leider. Das liegt vor allem daran, dass man hierzulande keine Erfahrung mit diesem Genre hat. Und, dass man nicht weiß, wie es richtig beworben wird. In Deutschland ist der romantische Film das erfolgreiche Format. Das war schon immer so. Viele Nachwuchsfilmemacher suchen hierzulande auch nicht nach einem eigenen Weg und 90 Prozent vertrauen lediglich auf das, was es schon gibt.

BF: Haben sie den Zombie-Film“Rammbock“ vom Marvin Kren gesehen? Der wäre doch sicher ein guter Vertreter gewesen.
Dellert: Der hat zeitlich leider nicht gepasst. Ich fand ihn sehr gut. Sehr lustig, einfallsreich aber ein bisschen kurz. Ich würde mich wirklich freuen, wenn wir mal einen guten Horrorfilm aus Deutschland zeigen könnten. „Rammbock“ hat gezeigt, dass, wenn man gute Schauspieler und ein gutes Konzept hat, man sich auf eine Natürlichkeit verlässt, die Dinger auch funktionieren.

BF: Haben sie in der aktuellen Auswahl einen Lieblingfilm?
Dellert: Das ist auf jeden Fall „Monsters“ von Gareth Edwards. Der zeichnet sich aber auch schon als Publikumsrenner ab. Darum nenne ich lieber ein paar andere: „The Disappearance of Alice Creed“ ist ein großartiger Thriller. An dem stimmt einfach alles. Er kommt mit nur wenigen Schauspielern aus, ist aber um so packender. „The Loved Ones“ ist ein durch und durch verrückter Film. Ich mag extreme Filme, der hier ist wie „Pretty in Pink“ trifft „Hostel„. Eine Mischung aus hart und komisch, mit romantischem Teenie-Ansatz. „Four Lions“ ist ein Film, bei dem ich mich im ersten Moment nicht getraut habe zu lachen. Ein sehr extremer Film, in jeder Hinsicht.

Interview: Martin Daßinnies

Fantasy Filmfest, 17. bis 25. August, Cinemaxx + Cinestar am Potsdamer Platz

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