Zebra Poetry Film Festival im Babylon Mitte


Filmszene: "Der Conny Ihr Pony"

Zum fünften Mal präsentiert die Literaturwerkstatt Berlin beim ZEBRA Poetry Film Festival vom 14. bis 17. Oktober aktuelle internationale Poesiefilme. Im Babylon Mitte werden 170 Kurzfilme gezeigt, die auf Gedichten basieren. Im Wettbewerb konkurrieren 26 davon um den Preis für den besten Poesiefilm. Für den diesjährigen Wettbewerb wurden nach Angaben der Veranstalter mehr als 900 Poesiefilme aus 71 Ländern eingereicht, aus denen eine Jury letztlich die finalen 26 auswählte.

Den Wettbewerb begleiten zahlreiche Dichterlesungen, Filmworkshops, Werkstattgespräche, Filmreihen und ein Kinderprogramm. Einen spannenden Blick zurück in die Geschichte des poetischen Films werfen etwa die beiden Filmprogramme „Berühmte Regisseure – Erste Poesiefilme (1910-1927)“ und „Frühe poetische, experimentelle Filmkunst aus Spanien“.

Anfang des 20. Jahrhunderts wurden sowohl namhafte Dichter vom Kino inspiriert als auch großartige Filmschaffende von der Poesie. Einer der ersten Poesiefilme überhaupt ist „The Unchanging Sea“ (D. W. Griffith) aus dem Jahr 1910 nach dem Gedicht „The Three Fishers“ von Charles Kingsley. Michael Curtiz erlangte erst mit dem Film „Casablanca“ Weltruhm, aber eines der ersten Werke des ungarisch-amerikanischen Regisseurs Mihály Kertesz war ein Poesiefilm. „Mein Bruder kommt„, frei nach dem gleichnamigen Gedicht von Antal Farkas, ist ein frühes Zeugnis der politischen Umbruchzeit in Ungarn.

Der Film zeigt Szenen aus dem Familienleben: der Arbeiter liest die Zeitung, seine Frau flickt ein Kleidungsstück. Deutlich sichtbare Augenringe – die Haltung der Augenbrauen zeigen die Anspannung des Wartens. Mihály Kerteszs Film liest sich noch heute als eine Hymne auf das Proletariat und ist nicht umsonst in proletarischem Rot gehalten. Er beweihräuchert den triumphierenden Sozialismus, der das junge Ungarn zwischen März und August 1919 überwältigte. Der 1919 entstandene Film hat auf dem diesjährigen ZEBRA Poetry Film Festival seine Deutschlandpremiere.

Mit seiner futuristischen Umsetzung der düsteren Großstadt-Melancholie Walt Whitmans setzt „Manhatta“ (1921) von Charles Sheeler und Paul Strand bis heute Maßstäbe. Die sechs minütige Film zeigt einen imaginären Tag in New York City, beginnend mit Aufnahmen der Staten Island Fähre gipfelt der Film im Sonnenuntergang über dem Hudson River. „Manhatta“ zählt heute zu den ersten Avantgarde-Film in Amerika. Sie Sektion „Frühe poetische, experimentelle Filmkunst aus Spanien“ setzt den Fokus noch stärker auf den Experimentalfilm und zeigt neben Filmen von Segundo de Chomón auch den Klassiker „Ein andalusischer Hund“ („Un chien andalou„) von Luis Buñuel und Salvador Dalí. Ihr Film feierte seine Uraufführung 1929 in Paris und gilt mit seinen surrealistischen Bildern und Szenen bis heute als ein Meisterwerk seiner Gattung.

Martin Daßinnies

ZEBRA Poetry Film Festival, 14. bis 17. Oktober, Babylon Mitte, Programm und alle Filme unter www.literaturwerkstatt.org