Berlinale-Blog: Berlin ist nicht nur Berlinale (8)


Die Organisatoren des Abends

Die Organisatoren des Abends

Nichts in Berlin läuft in diesen Tagen ohne die Berlinale. Partys, Empfänge, Galavorstellungen – sie alle firmieren mehr oder minder unter dem Banner der Internationalen Filmfestspiele. Die Relevanz vieler Veranstaltungen ist fraglich. Viele nutzen die Marke Berlinale, um sich ein Stück vom großen Kuchen abzuschneiden, der alljährlich rund um das Festival entsteht. Selbstdarstellung und mediale Präsenz sind die zwei entscheidenden Größen. Im ersten Moment mag der Festiwelt-Empfang, der seit letztem Jahr im Rahmen der Berlinale in der Homebase Lounge am Potsdamer Platz stattfindet, einen ähnlichen Eindruck hinterlassen. Auch hier es geht um Selbstdarstellung. Natürlich. Und darum, Präsenz zu zeigen, mit einem Selbstverständnis, dass sich auf die Formel „Berlin ist nicht nur Berlinale“ herunterbrechen lässt. Knapp 400 Gäste fanden sich am vergangenen Mittwoch in der Homebase Lounge ein. Zum Feiern, und um Teil dessen zu sein, was in den letzten zwei Jahren seit der Gründung des Netzwerkes der Berliner Filmfestivals entstanden ist. Denn mit dem Netzwerk haben sich erstmals in der Stadt Organisatoren unter der Zielvorgabe zusammengetan, den zahlreichen Filmfestivals, die im „Schatten“ der Berlinale gedeihen, zu mehr Aufmerksamkeit im Berliner Kulturbetrieb zu verleihen.

In den letzten zehn Jahren ist in Berlin viel passiert. Die Stadt hat sich nicht nur im kommerziellen Filmsektor zu einer internationalen Metropole gewandelt. Heute existieren hier knapp 50 Filmfestivals, die mit ihren Programmen im Grunde das gesamte Spektrum des Weltkinos sowie des Arthouse- und Genrefilms widerspiegeln. Sie heißen Achtung Berlin, Interfilm, filmPolska, Contravison, Russische Filmwoche, Around The World in 14 Films oder Alfilm (Arabisches Filmfestival Berlin). Es gibt den Fußballfilm (11mm), den asiatischen (Asian Hot Shots) und den französischen Film (Französische Filmwoche). Seit fünf Jahren hat auch der Porno (Pornfilm Festival Berlin) seinen festen Platz im Kalender. Weltpremieren, angereiste Filmschaffende und Fachpublikum, roter Teppich und die obligatorischen Zaungäste: In Berlin herrscht im Grunde das ganze Jahr hindurch Festivalstimmung.

Und alle profitieren sie an diesem Abend von der Strahlkraft der Berlinale. Sie ist das Mutterschiff, das die Filmindustrie der Stadt nährt und am Leben hält. Aber die Berlinale ist im Festivalkosmos der Hauptstadt ebenso ein Fremdkörper, der alljährlich die gesamte mediale Präsenz auf sich zu ziehen scheint. Sind die Pressevertreter, Filmeinkäufer und die internationalen Stars einmal abgereist, schwindet die Aufmerksamkeit merklich. Nicht, weil keine Neugierde am Film oder am Festivalevent besteht, sondern weil es häufig an ausreichenden Fördermaßnahmen und dem Interesse der Medienlandschaft mangelt. Dennoch sind zahlreiche Festivals etablierte Größen und über die Stadt- und sogar Landesgrenzen hinaus bekannt. Achtung Berlin, das sich explizit Filmen aus Berlin und Brandenburg widmet, und das Internationale Kurzfilmfestival Interfilm ziehen jährlich jeweils über 10.000 Besucher an und gastieren in den Kinos der ganzen Stadt.

Sponsor: tausche Taschen

Sponsor: tausche Taschen

Viele kleine Filmfestivals aber leben von einem hohen Maß an Eigeninitiative und werden nicht selten lediglich von einer Handvoll Filmbegeisterter organisiert. Geld ist fast immer zu wenig da. Die fehlende Finanzierung wird durch Enthusiasmus und organisatorisches Talent ausgeglichen. Staatliche Fördergelder werden in diesem Kulturbereich nur zaghaft ausgeschüttet. Letztlich sind es also die Zuschauer, die über Existenz und Scheitern eines Festivals entscheiden. Doch wie erreicht man die, wenn man weder auf einen großen Presse- und Marketingapparat noch auf einen etablierten Namen bauen kann?

Festiwelt, das Netzwerk der Berliner Filmfestivals hat sich gegründet, um genau dieser Frage eine Antwort zu geben. Es werden Events wie der Festivalempfang organisiert, Festivaltermine abgestimmt, um zeitliche Überschneidungen der einzelnen Events zu verhindern, und Ideen entwickelt, wie Filmfestivalkultur stärker in der Stadt etabliert werden kann. Mit welchem Erfolg diese Initiative gekrönt ist, hat der Empfang gezeigt. Das beweisen nicht nur die zahlreichen Gäste, sondern auch zwei weitere Festivals, die sich dem Netzwerk angeschlossen haben. Mit dem erstmals Ende März stattfindenden Musik-Film-Marathon und dem kurz darauf folgenden In-Edit– Musikfilmfestival schließt sich eine weitere Lücke. Und ein Ende ist nicht in Sicht.

Martin Daßinnies