Festivalbericht 15. Videonale
Ein Kommentar zum Amateurfilm
Finger weg von Trickblenden. Das ist so ziemlich das Allererste, was man beim Schnitt eines Filmes erlernt: Keine lustigen Dreiecke, Vierecke oder Kreise oder was die heimische Video-Schnitt-Software sonst noch so anbieten mag. Ansonsten wird es sehr schnell sehr peinlich. Es liegt in der Natur des Menschen, seine Einbildungskraft zu nutzen, um aus dem eigenen Leben auszubrechen, dabei ist es gleichgültig, wie glücklich derjenige auch sein mag. Diese Gabe erst ermöglicht uns in die Welt von Büchern, des Fernsehens und des Kinos einzutauchen. Als Lewis Carrol „Alice im Wunderland“ schrieb, gab es nicht viele Autoren, die mit dem puren Nonsens jonglierten und noch weniger die damit Erfolg hatten. Es war das Fehlen eines Subtextes, was so völlig neu, ja einmalig war. Damit liegt der Erfolg des Buches im Wesentlichen darin begründet, dass es pure Unterhaltung ist. Eine Moral der Geschichte gibt es nicht. Vom literarischen Nonsens eines Lewis Carrol kann man leicht einen assoziativen Bogen zum cineastischen Nonsense eines George Lucas spannen. Trash- und Blockbusterkultur bedingen sich gegenseitig.
Oft verwechselt man aber das sogenannte Trash- mit dem Amateurkino. Der Unterschied besteht darin, dass das Amateurkino einen ernstzunehmenden Film auf die Beine stellen möchte, aber oft am Können oder am Talent scheitert. In diesem Kontext bewegte sich auch der Amateurfaktor der vergangenen Videonale. Tatsächlich war dieser beachtlich hoch. Das fing an bei Dokumentarfilmen der Marke „Läuft nachts um drei Uhr bei den Dritten“ und hörte bei cholerischen, zivilisationsresistenten Sachsen noch lange nicht auf. Damit beim Publikum überhaupt eine Spannung entstand, bemühte sich der Moderator des Abends Alf Ator, Informationen und Eindrücke über die präsentierten Streifen nach Möglichkeit zurück zu halten.
Im Allgemeinen ist die Farce ein transgressives Verhalten und zielt darauf ab, Allzumenschliches als nutzlos, infantil, neurotisch und irrational erscheinen zu lassen. Im Besonderen muss hier das Klatschverhalten des Publikums hervorgehoben werden. Klatschen ist die wesentliche dritte Komponente bei einer Lichtspielvorführung, denn durch das Klatschen humanisiert sich der Mensch mit Seinesgleichen und legt sein Veto für oder wider einen Film aus. Die Verteilung des Für und Wider klassifiziert man im Allgemeinen als Geschmack oder das Fehlen eines solchen. Nur lässt sich hier kein Geschmack ermitteln, noch nicht mal ein schlechter. Also muss davon ausgegangen werden, dass die Zuschauer im Schnitt ihre eigenen Einsendungen bejubelten.
Mit „DeGX“ war eine Produktion vertreten, die zwar in der Qualität nicht mehr als leicht nach oben geschobene Mundwinkel produzierte, aber im Vergleich zu den anderen durchaus besprechungswürdig ist. Die an die Nachrichtensendung „heute“ angelehnte Satire bearbeitet die allseits beliebte Utopie einer Gesellschaft ohne Geld. Die Politiker sind nur dazu da, das Glücksgefühl ihrer Wähler zu steigern und gesamtwirtschaftlich ist der Glücksindex die einzige Komponente, die über politischen Machtgewinn oder –verlust entscheidet. Harmlos, süß, aber handwerklich sauber. „www“ bediente sich der unterirdischsten Stereotypen eines Internetusers. Er ist fett, soziophob und ein notorischer Lügner – na klar. Es gibt gute Gründe, sich gegenüber den Web 2.0 Anwendungen kritisch zu äußern oder sie auch zu meiden, nur ist in diesem Film nichts davon erkennbar. Darüber hinaus verfehlt er die derzeitige Realität komplett. Plattformen wie Facebook gehören zum kommunikativen Standard, sie sind keine Randerscheinung, derer sich gelangweilte Eigenbrödler bedienen und so bleibt die Frage offen, ob der Regisseur Markus Siebler die letzten 15 Jahre im brasilianischen Urwald verbrachte. Anders lässt sich ein derartiger Stuss nicht erklären.
Ethnokitsch for advanced erwartete den Zuschauer bei „sunset„. Und diese 5.55 Minuten dürften wohl nur solche Menschen begeistern, die stets darum bemüht sind, kleidungstechnisch wenigstens den kleinen Farbkreis mitzunehmen und bongotrommelnden Idioten in lauen Sommernächten andächtig lauschen. In diesem Sinn läßt sich das Sujet der vergangenen Videonale am besten im Geiste von Knorkators Vertonung des Vokals „A“ begreifen (siehe unten).
Joris J.