„Kinematografie Heute: Japan“ im Zeughauskino


Filmszene: "Caterpillar"

Filmszene: "Caterpillar"

Die heutige japanische Kultur ist eine Mixtur aus Ost und West. Seit der gewaltsamen Öffnung in der Mitte des 19. Jahrhunderts gelingt den Japanern der Griff, die eigene Traditon zu erhalten, indem sie die eigene Kultur durch eine westliche filtern. Cineastisch machte sich das zum Beispiel durch die Anwesenheit eines Benshi bemerkbar, der in der Zeit der Stummfilme neben der Bühne stand und den gezeigten Figuren eine eigene Stimme gab, um die Narration voranzutreiben. Ein mediales Unikum. Nur oberflächlich dem amerikanischen oder europäischen Kino ähnlich, präsentiert das Zeughauskino vom 8. bis 30. März die Reihe „Kinematografie Heute: Japan“, in der Produktionen der letzten vier Jahre einen guten Einblick in den fiktionalen Reichtum des Kirschblütenreiches gewähren.

Eine geglückte Separation ist immer etwas bekannt Gefiltertes. Dem Schrifsteller Edogawa Rampo, ein Pseudonym für Hirai Taro, gelang es den Gothic-Horror eines Edgar Allen Poe an die japanischen Bedürfnisse nicht nur anzupassen, seine Veehrung liegt allein schon im Namen Edogawa Rampo, der nichts anderes als Edgar Allen Poe bedeutet. Während seine ersten literarischen Gehversuche dem klassichen Detektivroman zuzuordnen sind, gewannen in seinen Arbeiten zunehmend Themen bizarrer Erotik, des Grotesken und des Abnormalen an Bedeutung. Man darf ihn ab 1929 mit erscheinen von „The Demon of the Lonely Isle“ im Magazin „Asashi“ als Vertreter der dekadenten literarischen Bewegung Ero Guro Nansensu sehen. Es handelt sich dabei um eine Art zeitversetzten Gegentwurf zur europäischen Litertur der Jahrhundertwende, wenn auch ungleich blutiger und expliziter.

Mit Koji WakamatsusCaterpillar“ liegt nun eine Verfilmung der gleichnamigen Kurzgeschichte  Edogawa Rampos aus dem Jahr 1929 vor. Selbstaufopferung- und Selbstbestimmung sind die moralischen Koeffizienten, auf denen dieses Drama aufgebaut ist. Der Weg des Bushido, der den Gedanken der Selbstlosigkeit über alles stellt, um selbst unter Lebensgefahr die Eigennützigkeit zu überwinden im Duell mit Descartes „Ich denke, also bin ich.“ Der japanische Seiltanz zwischen Ost und West wird hier als fatalistisches Duell präsentiert. Kann es nur einen geben?

Im amerikanischen Sci-Fi-Film stellten Ungeheuer und Monster ein Substitut für die atomare Katastrophe und erotische Projektionen da. Im Gegensatz dazu war die japanische Monsteriege von Beginn an nicht durch ihr Sein sondern durch ihre Taten schreckenerregend. Sie sind damit geradedzu unschuldige Katalysatoren in einem Zyklus der Destruktion. Als diesen kann man auch die Massenware Anime begreifen, allerdings versucht das Studio 4°C seit Jahren, dort kreativ einzugreifen. Mit „Genius Party“ liegt ein Omnibusfilm vor, der den sieben beteiligten Filmemachern fast völlig freie Hand ließ. Und was für Filmemacher : Shoji Kawamori zum Beispiel war seinerzeit verantwortlich für das Design der Transformers-Vorgänger Diaclone. Masaaki Yuasa drehte eine Episode für den Anime-Blockbuster „The Hakkenden„. Shinichiro Watanabe ist Regisseur der äußerst populären Serie „Cowboy Bebop“ – kurz, es erwartet den Zuschauer ein Stelldichein dystopischer Kreativköpfe, bei deren groteseken Geschichten und Genre-Mixturen sich das Erschreckende nicht selten in etwas sehr Komisches wandelt. Mit dem Entsetzlichen wird Spiel getrieben und es wird ausgelacht. Am Ende sind alle Katastrophen nichts anderes als die Natur, mit der der Mensch spielt und die er nach Gutdünken einsetzt und formt.

Filmszene: "The Rebirth"

Filmszene: "The Rebirth"

Hochzeiten für Hedonisten schließen sich an die Marginalisierung ästethischer Ingredienzien an. Die Entäußerung scheint das Kernsujet von Masahiro Kobayashi zu sein. Bereits die erste Sequenz erklärt die Absicht von „The Rebirth„. Wir befinden uns in einem kleinen Ort auf der Insel Hokkaido. Man sieht ein junges Mädchen und ihre Freunde. Eine weitere Kamera ist auf einen Polizisten gerichtet und wechselt plötzlich auf eine nervöse Frau, Noriko, die Mutter des Killers, um schließlich bei einem ratlosen Mann zu landen. Junichi, er ist der Vater des Opfers. Beide haben ihr Leben bereits aufgegeben und lange macht dieser Film nichts Anderes, als die beiden Protagonisten durch ihren Alltag zu begleiten. Der Alltag wird hier als Zeitschleife präsentiert, in dem sich nur allmählich und fast ohne Dialog kleinste Variationen einschleichen. Einen völligen Ausbruch aus dem Alltagstrott erlebt man erst gegen Mitte des Filmes, als Juinichi zwei Handys erwirbt und eines für Noriko zurücklässt. Er greift sie am Arm, sie ohrfeigt ihn. Danach geht die Lethargie weiter. Doch das Leben ist bereits aus dem Takt geraten, die Rhythmen haben sich verschoben. Die Wiedergeburt steht bevor.

Regisseur Takeshi Kitano ist ein Mann der Gegensätze. Hierzulande ist er sowohl für den Samuraifilm „Zatoichi“ als auch die Super-Mario-in-Real-Gurke „Takeshi´s Castle“ bekannt. Mit „Outrage“ liegt nicht nur ein knallerharter Yakuza-Streifen, sondern auch seine mittlerweile fünfzehnte Regiearbeit vor. Hinter all den Blutfontänen und geleerten Uzimagazinen steckt eine sensible Geschichte über Loyalität und die Allgegenwart des Verrates. Stilsicher und kompromisslose 109 Minuten großes, junges japanischens Kino.

Text: Joris J.

„Kinematografie Heute: Japan“, 8. bis 30. März, Zeuhauskino,  www.dhm.de, das Programm zum Download