Delicatessen – Das Berliner Tischgespräch im Mai Teil 2
Im zweiten Teil von „Delicatessen – Das Berliner Tischgespräch“ plaudern Christoph Fisser (Studio Babelsberg), Nicola Galliner (Jüdisches Filmfestival Berlin & Potsdam) und Filmkritiker Matthias Dell (der Freitag) über den Medienhype, der rund um die Dreharbeiten zu Tarantinos „Inglourious Basterds“ entstand, Filmkritiken, Entschuldungsfilme und um die Qualität der Arbeit von Regisseur Florian Henckel von Donnersmark. Aber erst einmal werden die Hauptgänge serviert. Stets ein Moment des Innehaltens.
Christoph Fisser: Kino.to ist eines der größten illegalen Streaming-Portale, die es heute gibt. Man hat auf diese Form der illegalen Beschaffung gar keine Zugriffsmöglichkeit. Die Firma sitzt irgendwo in Russland.
BFF: In der Musikbranche wird oft argumentiert, dass Fans, die das Album mögen, sich die Musik trotzdem kaufen. Inwieweit man das aber auf den Filmmarkt übersetzen kann, ist sicherlich schwierig.
Matthias Dell: Das Bewusstsein der Leute hat sich in dieser Hinsicht sehr verändert, wenn man sich etwa die Entwicklung der Mobilfunktelefone anschaut. Da ist es plötzlich wichtig, das Bild überall zu haben. Dann diese Aufrüstung zuhause. Da fällt das Kino als Erlebnisraum weg. Ich glaube aber, dass der Kampf gegen die Download-Mentalität nur durch Restriktionen nicht zu gewinnen ist.
Fisser: Das wäre schon relativ einfach zu lösen. Nur die einzelnen Parteien sind sich nicht einig, auch wenn allen klar ist, dass ein Download eine Straftat darstellt. Die Provider müssten darlegen, von wo etwas aufgenommen wird. Dahingehend herrscht in der deutschen Politik aber ein großer Dissens.
BFF: Aber Kino.to etwa hat sich von der rechtlichen Seite abgesichert. Die Seite bieten die Filme nicht an, sondern verlinken auf Dateien.
Fisser: In Deutschland würden sie trotzdem in jedem Fall verklagt werden. Allein das Anbieten ist schon eine strafbare Handlung. Nicht nur im Filmbereich geht es letztendlich immer um geistiges Eigentum. Eine Firma muss beispielweise auch gefloppte Filme absichern können, das geht nicht, wenn am Film immer weniger verdient wird.
Dell: Ist das denn wirklich so?
Fisser: Der DVD-Markt ist in dem letzten Jahr stark eingebrochen. Das liegt natürlich nicht nur am Internet sondern auch an den vielen legalen Vertriebsmöglichkeiten, die es heute gibt. Bei Tarantinos „Pulp Fiction“ war der DVD-Verkauf noch genauso stark wie das Einspielergebnis im Kino. „Inglourious Basterds“ hat dagegen extrem viel eingespielt, aber der spätere Verkauf war wesentlich geringer als erwartet.
Dell: Diese Diskussion hat aber auch immer etwas Bigottes. Es ist ähnlich wie bei der Zeitungs- und Medienkrise. Da wird von den großen Verlagen immer mit geistigem Eigentum argumentiert, es geht aber um die Überlassung von Urheberrechten, um Nutzungsfragen, der freie Autor gibt für nicht gerade üppiges Honorar alle Rechte seiner Arbeit, seinem geistigen Eigentum ab. In der Musikindustrie ist es nicht anders. Ein Musiker, dem früher die Plattenfirma Gewinne garantiert hat, wenn er denn erfolgreich war, der freut sich heute auch darüber, dass es das Internet gibt und jemand seine Platte in Indien runterlädt.
Fisser: Ich lehne das Internet auch nicht ab. Im Gegenteil, es ist gut, wenn sich mit den heutigen Möglichkeiten jemand einen Film ansehen möchte und wenn es einer aus Indien ist. Aber bitte legal. Es muss eben irgendwas gezahlt werden. Man kann das auch günstiger anbieten. Wenn Leute, die sich Filme illegal anschauen, bereit sind dafür zu zahlen. Als Filmschaffender und auch als Produzent ist man doch immer daran interessiert, dass so viele Menschen wie möglich deinen Film sehen. Die Preise dürfen nicht abschreckend sein.
BFF: Die Auswahl spielt doch sicher eine ebenso große Rolle. Können Filmfestivals mit ihrem Eventcharakter und ihrem kuratierten Programm das Kino nicht interessanter machen?
Dell: Das verhält sich ähnlich wie in der Musik. Die Musikindustrie setzt heute verstärkt auf Konzerte, womit dann ein Album beworben wird. Früher war das anders herum.
Nicola Galliner: Man findet bei der Recherche im Internet auch ganz obskure Leute. Menschen, die man hinter Filmen nicht vermuten würde und die man sonst nicht so sehen würde.
Dell: Das Festival bietet über den Film hinaus einen Live-Moment, den man natürlich nicht hat, wenn man einen Film im Internet oder auf DVD guckt.
Galliner: Es ist einfach schön, einen Film gemeinsam auf einer großen Leinwand zu sehen und danach mit einem der Produzenten oder Schauspieler zu sprechen. Ich finde es etwa bei Dokumentarfilmen herrlich, wenn der Mensch anwesend ist, über den es im Dokumentarfilm ging.
Dell: Ich finde das immer schwierig. Man hat doch schon alles gesehen. Was will man dann noch wissen von dem Menschen aus dem Film, der dann in echt vor einem steht?
Fisser: Wir haben vor zwei Jahren einen Dokumentarfilm gemacht, der heißt „Die Stimme des Adlers„. Der Protagonist stammt aus der Mongolei und geht dort mit Adlern jagen. Nach der Vorführung hat er einen Tanz vorgeführt, der typisch ist für sein Volk. Ich fand das sehr gut, es macht das authentischer.
Galliner: Ich habe auf der Berlinale vor vielen Jahren einen Film gesehen, wahrscheinlich im Forum, über einen vollkommen wahnsinnigen Fremdenführer, der sich anschließend in echt genau so, wie im Film präsentierte.
Galliner zu Fisser: Was ist denn ihr Lieblingsfilm?
Fisser: Film hat mich immer fasziniert. „Es war einmal in Amerika“ könnte ich mir jedes Jahr anschauen. Hier stimmt einfach alles, die Kamera, die Schauspieler, die Geschichte – und die Musik ist grandios.
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