Delicatessen – Das Berliner Tischgespräch im Mai Teil 2


Christoph Fisser (Geschäftsführer des Studio Babelsberg)

Christoph Fisser (Geschäftsführer des Studio Babelsberg)

BFF: Was erwarten Sie für Reaktionen auf „Wagner & Me„, der bei Ihnen gezeigt wird?
Galliner: Das ist etwas ganz anderes. Es ist eine Liebeserklärung von Stephen Fry an Wagner. Ich sage immer, es ist ein Film für Leute, die Wagner lieben. Aber es ist auch unbedingt ein Film für Wagner-Hasser, denn man bekommt mit diesem Film einen Zugang zu Wagner. Ich verstehe nicht, warum das deutsche Fernsehen diesen Film nicht schon längst gezeigt hat. Das ist ein so tolles Thema und so wunderbar dargestellt.
Fisser: Demnächst kommt auch „In Darkness„, ein ziemlich schwerer Film von Agnieszka Holland. Er startet erst in Polen, wo er wohl auch für den Oscar nominiert wird.
Galliner: Über diesen Film diskutieren schon alle Organisatoren der jüdischen Filmfestivals.
(alle lachen)
Fisser: Agnieszka Holland hat auch „Der Hitlerjunge Salomon“ inszeniert.
Galliner: Auch eine wahre Geschichte und eine so unglaubliche dazu. Für so etwas kann man kein Drehbuch erfinden.
Dell: Nur nicht beim „Das Leben der Anderen„, wenn ich mal so miesepetrig sein darf.
Galliner: Das ist aber keine wahre Geschichte.
Dell: Eben.
Fisser: Bei uns im Studio haben viele Mitarbeiter, die die DDR erlebt haben, unglaublich geschimpft. Das hat es einfach nicht gegeben.
Galliner: Die Reaktionen der Mitarbeiter im Filmmuseum in Potsdam waren nicht anders. Wer das wirklich erlebt hat, sieht es immer anders.
Fisser: Als Film funktioniert „Das Leben der Anderen“ wirklich herausragend. Er war gut erzählt.
Dell: Das ist es eben. Viele sagen, er ist das perfekte Melodram. Für mich, das mag jetzt etwas besserwisserisch klingen, war aber das Verhältnis zwischen Martina Gedeck und Ulrich Mühe überhaupt nicht klar. Die Anziehung und die Liebe haben sich mir nicht mitgeteilt. Es gibt in diesem Film eine große Kunstfertigkeit und Perfektion, aber was mir fehlte, war Gefühl. Bei „The Tourist“ ist es genau das Gleiche.
Fisser: Dieser Film ist wirklich grausam. Das Original von Anthony Zimmer hat vielleicht ein Fünftel an Budget gehabt und ist um so vieles besser. Das funktionierte nicht zwischen Regisseur und Schauspielern. Das liegt auch am Regisseur. Viele Szenen funktionieren nicht. Für ihn war es ein Horror den Oscar zu bekommen. Johnny Depp und Angelina Jolie funktionieren einfach nicht als Filmpaar. Dieser Aspekt hat auch bei Gedeck und Mühe nicht funktioniert.
Dell: Bei Donnersmarck kommt genau das zum Tragen, was ich vorhin bei „Inglourious Basterds“ meinte. Es ist schwierig, kritisch zu sein. Da hat man es beim zweiten Film automatisch mit dem Vorwurf zu tun, dass Kritiker erst jemanden hoch schreiben, um dann auf ihn einzuhauen. Kritiker, die schon ein Problem mit „Das Leben der Anderen“ hatten, haben nun das Problem, dass sie gar nicht so draufhauen können, wie sie müssen, weil dann der Eindruck entsteht, sie hauten bei „The Tourist“ nur drauf, weil sie „Das Leben der Anderen“ so gelobt hatten.
Fisser:Valkyrie“ ist schon zerrissen worden, da war das Buch überhaupt noch nicht fertig gestellt. Ich bin wirklich kein großer Fan vom Schauspieler Tom Cruise, aber wie dieser Film zerredet worden ist, das war unglaublich.
Dell: Haben Sie wirklich das Gefühl, dass die Kritiker draufgehauen haben?
Fisser: Es gab sehr viele unqualifizierte Kritiken. Letztendlich war der Film sehr gut recherchiert. Für uns war es sehr wichtig, dass die Geschichte überhaupt mal erzählt worden ist. Viel Widerstand gab es im deutschen Militär nicht. Immerhin sahen den Film in den USA 18 Millionen Menschen.
Dell: Wobei es diese Art der Entschuldungsfilme schon häufiger gab.
Fisser: Wir haben mit Bryan Singer einen jüdischstämmigen Regisseur gehabt. Das kann man nicht außer Acht lassen. Man muss wissen, wie ein amerikanischer Film funktioniert: Hollywood-Produktionen sind immer regiegetrieben. Egal welcher Schauspieler mitspielt, es geht immer um den Regisseur. Und Bryan Singer ist wirklich einer der ganz großen. Der Regisseur ist die wichtigste Person. Bryan Singer hat zum Beispiel die Diskussion um Scientology in Deutschland gar nicht verstanden und auch nicht, dass wir nicht im Bendlerblock drehen durften, obwohl wir natürlich für alle Drehorte Genehmigungen hatten. Die Los Angeles Times hat einen Artikel veröffentlicht, in dem Vorwürfe auftauchten, dass es antisemitisch ist wie mit Bryan Singer und dem Projekt umgegangen wird. Das hat so hohe Wellen geschlagen, dass sich letztlich das Auswärtige Amt einschaltete. Diese Antisemitismusdebatte war wirklich abstrus, aber es ist einfach ungünstig angefasst worden. Denn letztlich ging es um Scientology und Tom Cruise.
Dell: Das war eine Form von Hysterie. Heute lacht man darüber, wenn man daran denkt, wie so etwas in den Medien entstehen konnte und was das eigentlich mit dem Film zu tun hatte.
Fisser: Letztlich war damit die halbe Bundesregierung befasst. Das ist schon erstaunlich. Das nachgebaute Büro von Stauffenberg kommt jetzt übrigens in ein militärhistorisches Museum in Dresden. Einen Daniel-Libeskind-Bau.

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