Pornfilmfestival Warm Up 2011 im Moviemento


Filmszene: "Frauenzimmer"

Filmszene: "Frauenzimmer"

„Nicht dem Leben Jahre geben, sondern den Jahren Leben.“ (Karolina, „Frauenzimmer„)

Paula, Christel und Karolina sind 49, 58 und 64 Jahre alt und arbeiten im ältesten Gewerbe der Welt. Während Paula schon zu Ostzeiten fast unbemerkt in den Beruf rutschte, weil sie schon früh guten Bekannten kleine „Gefälligkeiten“ erwies, für die sie monetäre Gegenleistungen erhielt, fanden die heutigen Großmütter Christel und Karolina erst mit Anfang 50 ihre Berufung. Ein Umstand, der den Zuschauer zunächst irritiert und amüsiert, brechen diese Frauenzimmer doch mit dem üblichen Klischee mädchenhaften Barbieschicks und erzählen beim Kartoffelschälen über ihr lustvolles Erwachen oder telefonieren mit Kunden, während nebenan Sohn und Enkel auf Oma warten. Christel, die viele Jahre unter manischen Depressionen litt und Sex immer nur als „Dienstleistung am Ehemann“ betrachtete, litt jahrelang unter dem Selbstmissbrauch, bis sie es mit 49 Jahren schließlich schaffte, sich selbst einen Orgasmus beizubringen. Heute bietet sie: „Ne gute halbe Stunde, im freundlichen Bereich, man kann also küssen, schmusen, streicheln, massieren, französisch, Verkehr, kleine Rollenspiele, Fußerotik, alles so was…

Regisseurin Saara Aila Waasner beobachtete ihre drei Protagonistinnen neun Monate lang still und unaufdringlich, begleitete sie aufs Riesenrad mit den Enkeln und ins Arbeitszimmer mit den Kunden. Dabei sind es eher die kleinen, unauffälligen Gesten, die, von der Kamera eingefangen, das Ich der Frauen hinter der Fassade enthüllen. Die Berlinerin portraitiert drei Frauen, die nicht nur nicht dem erwarteten Altersdurchschnitt entsprechen, sondern sich auch nicht in simple Kategorien pressen lassen, die etwa über ihre Motive sich zu prostituieren Auskunft gäben. Die Geschichten der drei Frauen vereint der Drang nach Selbstbestimmung, der Ausbruch aus inneren Gefängnissen. Denn lange Zeit galt für fast alle: „…Träume zu leben, ist verdammt unbescheiden. Das gehört sich nicht.„, weiß die amazonenhaft elegante Domina Karolina.

Saara Aila Waasner erzählt die Geschichten ganz unterschiedlicher Frauen zwischen Einsamkeit und Sehnsucht, der Suche nach Erfüllung, Selbstbestätigung und Selbstverwirklichung. Dabei gibt sie ihre Protagonistinnen nie preis und verliert sich nicht in voyeuristischen Details. Die drei Berlinerinnen, die in keine Statistik passen wollen und von denen sich eine mit dem Strichcode einer Champagnermarke tätowieren lässt, geben maskiert oder demaskiert Einblicke in ihren Alltag, zwischen Einkauf, Familie, Arbeit, Traurigkeit und Lust. Trotzdem, so lässt sich erahnen, bleiben viele Geschichten unerzählt. Die für das ZDF kleines Fernsehspiel produzierte berührende Dokumentation ist auf dem Sommer Warm-up des Pornfilmfestivals jeweils um 18.30 Uhr in den folgenden zwei Tagen, am 23. und 24. Juni im Moviemento zu sehen.

Text: SuT

Weitere Infos zum Festival und zum Film unter www.pornfilmfestivalberlin.de