Das Pornfilmfestival wärmt sich mit „Leben & Tod einer Pornobande“ auf


Pornobande© 2008 BAŠ ČELIK

Szene aus Pornobande© 2008 BAŠ ČELIK

Der Titel „Leben & Tod einer Pornobande“ klingt erstmal nach einer plumpen Tarantino-Kopie. Nach ausgiebiger Kinn-Massage und dem Beschluss, sich dem Ganzen zu widmen, erwartet einen ein fieser Cocktail aus Sachen, die man mal aus Neugier bei Wikipedia nachschlägt und ansonsten aus dem Alltag aussperrt. Es sind Dinge, von denen man eigentlich keine Ahnung haben will. Der Regisseur Mladen Djordjevic liefert hier ein Husarenstück des Auf-Die-Nerven-Gehens ab.

Heute, da das Bewusstsein der Herrschenden mit der Gesamttendenz der Gesellschaft zusammenzufallen beginnt, zergeht die Spannung von Kultur und Kitsch.“ – Theodor W. Adorno.

Mitte bis Ende der 90er Jahre war das Baltikum ein Pulverfass. Eine grauenhafte Aneinanderreihung von sinnlosen Gemetzeln richtete in erster Linie Leid, aber auch ein moralisches Vakuum an. In diesem Vakuum, in diesem Nichts, setzt die Handlung des Filmes ein. Der Protagonist ist ein junger Regisseur und als solcher ein Idealist des Sadismus. Nichts ist ekelhaft genug und Nichts ist ihm peinlich genug und in der Selbstergriffenheit der gefühlten Leere stellt er einen bizarren Pornowanderzirkus aus gescheiterten Schauspielern, Geisteskranken, HIV-Infizierten und einfach Verlorenen zusammen. So beginnt deren Odyssee durch vom Bürgerkrieg geprägte Nester auf der sie während oder nach ihren Darbietungen vergewaltigt, geprügelt, bespuckt und gefoltert werden. Das ganze Dasein dieser Truppe ist projizierter Selbstmord. Gleichzeitig stellen sie eine Inversion des grobschlächtigen Bauern dar. In ihrer Geschmacklosigkeit gleichen sie sich, doch im Gegensatz zu den päderastischen Hinterwäldlern kokettieren sie damit und suchen einen Ausweg daraus. Gerade in Zeiten in denen die Aufmerksamkeit einen Ersatzwarenkreislauf errichtet, ist es um so bitterer und schmerzhafter mit anzusehen, was Menschen für ein wenig Aufmerksamkeit alles tun.

pornobande_dvd_fsk_klein © 2011 BILDSTÖRUNG

Pornobande DVD-Cover © 2011 BILDSTÖRUNG

All das kulminiert in einem zweiminütigen Kammerspiel mit unserem Pornozirkusdirektor und einem Snuff-Regisseur. In diesen zwei Minuten wird die wahrscheinlich älteste Diskussion, die über Kunst geführt werden kann, angeschnitten: Was darf Kunst? Im Idealfall darf Kunst alles, in der tristen Wirklichkeit darf Kunst auch alles, jedenfalls solange sich Käufer dafür finden. So bietet das größere der beiden Monster dem Anderen an, den Tod als dramaturgische Pointe in das ohnehin schon völlig geschmacklose Debakel mit einzubinden. Nach einigem Zögern willigt er ein und die Suche nach „Freiwilligen“ beginnt. Dermaßen explizierte Sexszenen, die das organische und mechanische in den Mittelpunkt rücken und so jede Lust und Erotik vernichten und ausradieren, sucht man heutzutage in den Kinosälen dieser Welt vergebens. Auch dem Tod wird alles Mysteriöse, Fremde, Anmutige und Respektvolle genommen. Er ist der letzte Fick, alles andere wäre ja Kultur. Ob das nun gut ist oder gar zukunftsträchtig, sei dahingestellt. Jedenfalls macht es den Film ein Stück weit einmalig. Außerdem steht dieser Film ganz im heutigen Zeitgeist. Adorno hatte schon Recht, ab einem gewissen Grad der Saturiertheit wird die Gesellschaft tendenziös. Soll heißen: Man kann nicht mehr wirklich unterscheiden, ob Sachen gut oder schlecht sind und paradoxerweise genau deshalb macht man sie mit – und zwar alle.

Joris J.

Das PornFilmFestival Warm Up mit „Leben & Tod einer Pornobande“ („THE LIFE AND DEATH OF A PORNO GANG“) von Regisseur Mladen Djordjevic
am Samstag, 9. Juli 2011, ab 22.15 Uhr im Kino Moviemento Berlin. Gezeigt wird die Serbische Originalfassung mit deutschen Untertiteln. Projektion von BluRay. Mehr dazu auf der PornFilmFestival-Homepage.