Festivalbericht: new horizons


Festivalkatalog, Foto: new horizons

Festivalkatalog, Foto: new horizons

Um nichts desto trotz das Festival so angenehm wie möglich zu gestalten, das heißt vor allem: um den Akkreditierten und Nichtakkreditierten Gästen eventuell ergebnisloses Schlangestehen zu ersparen, hat das new horizons eine IT-Lösung gefunden, die sich nicht nur im Stresstest sondern auch in der normalen Praxis offenbar reibungslos bewährt. Dauerkarteninhaber oder Akkreditierte reservieren und verwalten ihr individuelles Programm online mit einem eigenen Punktekonto. Wer seine Reservierung wieder ändern möchte, kann und sollte das bis unmittelbar vor der Vorstellung tun, denn eine nicht wahr genommene Reservierung wird vom System erkannt und vom entsprechenden Punktekonto doppelt abgezogen. Das klingt wie eine fast drakonische Disziplinierungsmaßnahme, garantiert aber, dass frei gewordene Plätze in Echtzeit anderen Online-Reservierern und den Last Minute-Kassen noch zur Verfügung gestellt werden – und, dass niemand versuchen muss, sich durch stundenlanges Anstehen vor überfüllten Sälen in der nächsten Vorstellung doch noch einen Platz zu ergattern.

In der Realisierung dieser freilich sehr rechnerintensiven Prozedur – in den Foyers der Kinos reihen sich die Bildschirme der Selbstbedienungsterminals zu Dutzenden – war es wahrscheinlich nicht von Nachteil, dass der Hauptsponsor des Festivals weder ein Kosmetikgigant noch ein Autohersteller ist. Als die deutsche Telekom vor wenigen Monaten den polnischen Telekommunikationskonzern ERA schluckte, übernahm sie nämlich auch gleich deren Posten als Hauptsponsor des new horizons. Nun ziert die in Deutschland nach wie vor wenig populäre Marke ihre Magenta-Spur quer durch Polen und war auch auf dem Festival in Wroclaw äußerst präsent. Von Organisatoren-Seite versichert man zwar glaubwürdig, inhaltlich keinerlei Einflussnahme ausgesetzt zu sein, dass aber ein polnischer Filmfestivalkatalog nun tatsächlich aussieht, wie ein deutsches Telefonbuch, daran mag man sich nicht so recht gewöhnen. Während eines offiziellen Business-Dinners winkte ein ehrwürdiger Filmprofessor aus Lodz beim Thema Sponsoringkritik jedoch ab. In Polen sähe man, so sagte er mit einem wissenden Lächeln, nach dem jahrzehntelang aufgezwungenen Rot des politischen Monopolisten Sowjetunion in dem Magenta eines Telefonhändlers kein wesentliches Problem.

Text: Ralf Krämer

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