Rückblick auf die Asian Hot Shots 2011


Filmszene: "Jakartarck"

Filmszene: "Jakartarck"

Kühnes Asien

Der Weg in das Moviemento führt vorbei an türkischen Supermärkten mit seinen Bergen an Obst und Gemüse. Videotheken, Spätkäufe, Dönerläden und Kleidermärkte mit glitzernden Trägertops und Schuhen in Neonfarben. Das Kino ist kaum zu verfehlen, schon von weitem ein Schild, dass über das Treiben des Kottbusser Damms zum Ort des Geschehens weist – zumindest für diese drei Tage, Anfang September. Die Asian Hot Shots, dieses Jahr zum vierten Mal, stehen für unabhängiges asiatisches Kino, fernab des Mainstream. Dass jenes „fernab des Mainstream“ keine bloße Floskel ist, wird schnell klar. Denn verlässt man dieser Tage das Moviemento, welches selbst würdig ist, als ein wenig obskur bezeichnet zu werden, knallt der Kreuzberger Alltag doch unsanft auf den Festivalbesucher. Die asiatische Independent-Szene wird in ihrer Andersartigkeit nämlich gern unterschätzt. Und das ist nicht negativ gemeint. Eher ein Fakt, der niemanden verschont –  besonders diejenigen nicht, die mit asiatischer Filmkultur wenig vertraut sind.

Bereits der Eröffnungsfilm „Gandu“ (Indien, 2010) von Qaushik Mukherjee gibt einen kleinen Hinweis auf das Programm, mit welchem in den nächsten 72 Stunden zwei von drei Kinosälen bespielt werden. Gandu, das heißt übersetzt so viel wie Wichser. Und dieser „Wichser“ ist ein 20-Jähriger Mann, der sein Leben und seine Mutter, die sich in der gemeinsamen Wohnung prostituiert, verabscheut. Unkonventionelle Kamerafahrten zeigen Gandus Wirklichkeit zwischen Rap, Drogen, Sex und Wahnsinn. Nicht weniger düster, aber dafür surrealer, ist der Film „Doman Seman“ (Japan, 2010). Angelegt in einem Kyoto der Zukunft, zeigt der Regisseur Go Shibata eine Dystopie des Kapitalismus. Wie eine psychedelische Variante aus „Jay Snd Silent Bob“ und „Dogma“ entwirft Shibata eine Welt, in der Erwachsene in Gefangenschaft zwischen Konsum, Arbeit und dem drohenden Verlust dieser, überleben. Lediglich die beiden Hauptcharaktere und Kinder scheinen übrig. Und während erstere von der Realität wenig mitbekommen, sind es die Kinder, welche als einzige den Überblick in diesem obszönen Treiben behalten. In den anarchischen Fetzen einer Story, die an Sounds japanischer Undergroundbands und Effekten nicht spart, bombardiert Shibata den Zuschauer mit einem Gewitter filmischer Experimente.

Festivalbesucher im Moviemento

Festivalbesucher im Moviemento

Etwas entspannter dann das Kurzfilmprogramm: Der in Jakarta gedrehte Film „Jakartarck“ (Indonesien, 2010) ist eine Huldigung an das Fahrrad. Im Stile eines Clips, der auch irgendwo in den USA von einer Gruppe Skater als Selbstreferenz gedreht worden sein könnte, präsentieren sich junge Männer, die auf ihren „Fixie“-Rädern durch die Straßen der Millionenstadt rasen. Die These von der Atempause erweist sich aber spätestens im letzten Beitrag des „Simply Shorts“-Blocks als eine falsche: Denn das herausragende, filmisch sowie thematische,  „Meatopia“ (Südkorea, 2008) ist alles andere als gemütlich. Wieder eine Horrorvision, die in einem unwirklichen Ort spielt. Ru Kyung-rok Chung lässt in seinem Kurzfilm einen unbekannten Jüngling mittellos durch karge Wüstenlandschaft trotten. Bis jener einen Aushang entdeckt, auf welchem eine Stelle als Metzger ausgeschrieben wird. Der Arbeitsplatz „U-sa“, der übersetzt eigentlich Kuhhaus bedeutet, entpuppt sich als Schlachthaus, in dem der Fremde Menschen töten und zu Eintöpfen verarbeiten wird. Er kommt dabei an die Grenzen seiner Belastbarkeit. In der anschließenden Diskussion spricht Chung über die polarisierende Gewalt und Ästhetik von „Meatopia“ und will den offensichtlichen Bezug  zum Namen des Schlachthauses nicht ganz ausräumen.

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