62. Berlinale

Die rote Traumfabrik


Sergej Eisensteins "Oktjabr"

Sergej Eisensteins "Oktjabr"

Die rote Traumfabrik

Die Retrospektive der 62. Internationalen Filmfestspiele Berlin entdeckt ein legendäres deutsch-russisches Filmstudio wieder: Meschrabpom-Film und ihr deutscher Zweig Prometheus schrieben in den Jahren 1922 bis 1936 Filmgeschichte. Die Gründer Moisej Alejnikow und Willi Münzenberg taten sich 1922 zusammen, mit pfiffigen Geschäftsideen, politischem Auftrag und unbändiger Lust an neuer filmischer Erzählung. So entstand ein einzigartiges deutsch-russisches Filmunternehmen, das Filmstudio Meschrabpom-Rus (später Meschrabpom-Film) in Moskau, mit einer Zentrale in Berlin. Rund 600 Filme und elf bzw. 14 Jahre später wurde das internationale Experiment von den Diktaturen Hitlers und Stalins gewaltsam beendet. Die Retrospektive der Berlinale 2012 widmet sich unter dem Titel „Die rote Traumfabrik“ dieser Wiederentdeckung aus russischen Archiven.

Klassiker des russischen Revolutionsfilms wie Wsewolod Pudowkins Konez Sankt Peterburga (Das Ende von St. Petersburg, 1927) entstanden bei Meschrabpom-Film. Zugleich griff das Studio auch Themen aus dem Alltag der Menschen auf. Künstlerisch anspruchsvolle Filme vieler Genres begeisterten das internationale Publikum und inspirierten die gesamte europäische Filmavantgarde„, so Rainer Rother, der Leiter der Retrospektive und Künstlerische Direktor der Deutschen Kinemathek — Museum für Film und Fernsehen.

Meisterwerke wie Pudowkins Potomok Tschingis-Chana“ („Sturm über Asien„, 1928), Boris BarnetsDewuschka s korobkoj“ („Das Mädchen mit der Hutschachtel„, 1927) oder die Darstellung der Revolution auf dem Mars in „Aelita“ (1924) von Jakow Protasanow dürfen in einer solchen Studio-Retrospektive nicht fehlen. Daneben gibt es eine Fülle von Entdeckungen zu machen, etwa Margarita Barskajas in Nazi-Deutschland spielendes Kinderdrama „Rwanyje baschmaki“ („Zerrissene Stiefelchen„, 1933) oder den frühen SciFi-Roboterfilm „Gibel sensazii“ („Der Untergang der Sensation„, 1935) von Aleksandr Andrijewski. Zu den herausragenden Leistungen der Filmfabrik gehören auch die ersten Animationsfilme und der erste Tonfilm der Sowjetunion, Nikolai Ekks „Putjowka w schisn“ („Der Weg ins Leben„, 1931).

Die von Alexander Schwarz und Günter Agde kuratierte Retrospektive umfasst rund 30 Programme mit über 40 Stumm- und Tonfilmen. Alle Stummfilme der Retrospektive werden mit Live-Musik durch international renommierte Künstler begleitet. So wird  Sergej Eisensteins Meisterwerk „Oktjabr“ („Oktober„, 1928) mit der originalen Musik von Edmund Meisel vom Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin aufgeführt. Der Film über die Oktoberrevolution von 1917 wird am 10. Februar 2012 im Friedrichstadtpalast gezeigt.