Festivalmacher: Claus Matthes

Pornografie zwischen Diskurs und dem schnellen Wichs


Foto: Jekaterina Petrova

Foto: Jekaterina Petrova

Ein Flugzeug fliegt über das Gebäude, im Raum dröhnt es. Fast klingt es, als würden die Turbinen das Gesagte von Claus Matthes mit einem Wummern unterstreichen. Er lacht viel. Manchmal ein wenig unsicher, gar entschuldigend, etwa wenn ihm fälschlicherweise nicht gleich die optimale Formulierung einfallen will. Es ist spürbar, wie sehr ihm das Thema am Herzen liegt. Die Minuten verstreichen und man erfährt, dass Matthes „auch gern mal einen Film von David Lynch“ guckt. Vielleicht zum Ausklang, für das Festival wurden über 600 Filme gesichtet. „“Natürlich stumpft man da ein bisschen ab, oder besser, sieht es unter einem anderen Aspekt, erkennt Schrott ziemlich schnell„. Beim Stichwort Schrott wird es spannend. Wen könnte man besser fragen, was gute von schlechter Pornografie unterscheidet? „Wenn sich ein paar Leute zum Beispiel gedacht haben: ´Wir machen jetzt einen Porno!´, entstehen dabei häufig uninspirierte Sachen. Man dreht in einer einzigen Einstellung, die Kameras, Lichtverhältnisse sind schlecht und generell kommt schnell Langeweile auf. Viele unterschätzen, dass man einen Porno nicht mal eben einfach so drehen kann. Zumindest keinen Guten.“ Was gut ist und was nicht, kann Matthes nicht nur durch eigenen Arbeiten einschätzen („Otto; or, Up with Dead people“ 2008, „Bandaged“ 2009, Produktionsmanager Wurstfilm GmbH) sondern auch durch das weitläufige Netzwerk von internationalen Filmemachern, dass sich über die Jahre gebildet hat und ohne die das Porn Film Festival nicht möglich wäre. Es ist bekannt, dass es in Berlin ein Festival gibt, welches Werke zeigt, „die am normalen Filmmarkt einfach vorbeigehen und ohne konkrete Nachfrage produziert werden, sondern diese erst generieren müssen.

Plattformen wie Youporn steht Matthes hingegen skeptisch gegenüber. Zu groß ist die Missachtung von Urheberrechten, die Masse an dem bereits erwähnten Schrott und die Suche „nach dem schnellen Wichs„. Hört man ihm beim Sprechen zu, kommt man unausweichlich in Konflikt mit seinem eigenen Begriff beziehungsweise Konsum von Pornografie. „Geht in deiner Altersklasse eigentlich noch jemand in die Videothek?„. Die Frage muss nach eigenem Erkenntnisstand verneint werden. Vielleicht ist dies der Grund, warum „es so viele junge Kreuzköllner cool finden, sagen zu können, sie wären gestern Abend auf unserem Festival gewesen.“ Ausflüge in die Geschichte des Pornokinos, die Entwicklung des Farb- und Tonfilms, Insiderwissen aus der neuen „romantischen Programmlinie“ einer großen Produktionsfirma, „Tatort“ und James Camerons „Avatar“ folgen.

Die angekündigte halbe Stunde ist schon längst verflogen. Wir überziehen maßlos. Sich mit Claus Matthes über Pornografie zu unterhalten, ist nicht nur in Bezug auf die nicht wenig einnehmende Thematik aufschlussreich. Spielend kann er jenes Gebiet auf beliebig weitere beziehen: Porno auch als Kunstform, die sich vielen anderen gesellschaftlichen Mechanismen und Problematiken annimmt, Dialog erzeugt und nicht nur als Geficke zu betrachten ist. Dann geht es aber doch ganz fix: Noch ein zufriedener Blick auf den Flyer-Karton, ein kurzes Händeschütteln und schon ist er wieder weg.

Carolin Weidner

Pornfilm Festival Berlin, Kino Moviemento, 26. bis 30 Oktober, www.pornfilmfestival.de

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