Festivalbericht Alfilm 2011

Tricksen für die Wahrheit


Filmszene: "Scheherazade, Tell Me A Story", © Alfilm

Filmszene: "Scheherazade, Tell Me A Story", © Alfilm

Um die Wahrheit zu zeigen, müssen wir tricksen„, so der junge ägyptische Filmemacher Sherif El Bendary über die Entstehung seines Kurzfilms „Curfew„. Es ist einer von 10 Kurzfilmen, die kurz nach dem Fall von Mubarak gedreht wurden und zusammengefasst als  „18 Days“ (2001) das 3. Alfilm Festival eröffnet haben. Die 10 Episoden interpretieren die 18 Tage auf dem Tahrirplatz jeweils aus ganz persönlicher Perspektive, wobei die Qualität der Kurzfilme stark schwankte. Im Rahmen von „18 Days“ spielt „Curfew“ als einziger der 10 Kurzfilme in Suez-City und nicht in Kairo. Vordergründig erzählt der Film in ruhigen Bildern die Geschichte zweier Menschen – ein Großvater und sein Enkel – die nachts auf dem Weg nach Hause in die Ausgangssperre geraten und nicht an den Panzern, die die Straßen absperren, vorbeikommen. Die Geschichte, um die es Sherif El Bendray dabei geht, ist die der Missverständnisse zwischen den Generationen: Auf der einen Seite die junge Generation, die auf die Straße drängt und keine Angst mehr haben will. Auf der anderen Seite die ältere Generation, die vorsichtiger, vom Mubarak-Regime gebeutelt und angesichts der Veränderungen verunsichert ist. Interessanterweise ist „Curfew“ in Ägypten verboten.

Mit den unzähligen Verboten, die das Leben während des Mubarak-Regimes prägten, setzt sich auf erfrischende Art der sehr persönliche Film „Forbidden“ (2011) von Amal Ramsis auseinander. Auch Amal musste Tricks anwenden, um den Film zu drehen, wie sie dem Publikum in der anschließenden lebhaften Diskussion verriet. So verkleidete sie sich als Touristin, um auf öffentlichen Plätzen sowie auf den Straßen Kairos filmen zu können. Denn absurderweise brauchen ÄgypterInnen zum Filmen auf der Straße eine Genehmigung. „Forbidden“ fängt wunderbar die Aufbruchsstimmung vor der Revolution ein und lässt dabei unterschiedliche AktivistInnen zu Wort kommen. So entsteht ein komplexes Bild einer Gesellschaft im Umbruch – absolut sehenswert! Angesichts der jüngsten Entwicklungen in der arabischen Welt ist es den Veranstalter des Alfilm Festivals, der Freunde der arabischen Kinemathek Berlin e.V. (Cinemaiat), glücklicherweise  gelungen, gleich mehrere Filme zu bekommen, die sich mit dem politischen Wandel beschäftigen. Auffallend dabei ist, dass die Filme sehr persönliche Geschichten erzählen, ohne bereits eine festgelegte (Erzähl-) Form, Filmsprache oder gar Antwort gefunden zu haben.

Der Arabische Frühling war jedoch nur ein Thema beim diesjährigen Alfilm Festival. Insgesamt war das Programm erfreulich vielseitig und vollgestopft: Das Hauptprogramm beinhaltet neben 15 Spiel- und Dokumentarfilmen auch eine Hommage an den kürzlich verstorbenen syrischen Dokumentarfilmer Omar Amiralay, die Retrospektive zeigte Arbeiten der beiden libanesischen Filmemacher Bourhan Alaouié und Maroun Bagdadi, während der Fokus in diesem Jahr dem „Humor im arabischen Film“ gewidmet war. Alles in einem eine bunte Mischung aus Klassikern und neuen Filmen, aus Mainstream und Kunst, inklusive fünf Deutschlandpremieren. Begleitet wurden die Filmvorführungen durch zahlreiche spannende Diskussionen und Künstlergespräche. Ergänzt wurde das Filmfest zudem durch eine Theaterreihe im HAU.

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