Festivalbericht Globale 2011

"Was die Weltwirtschaft angeht, so ist sie verflochten"


Dagegen war der Gang an die Theke nach Katarina Kitidis und Aris Hatzistefanous Film „Debtocracy“ ein schwerer. Es geht hier um die wirtschaftliche Krise Griechenlands, die nur bedingt selbstverschuldet ist, denn seit Tucholsky wissen wir ja: „Was die Weltwirtschaft angeht, so ist sie verflochten“. Es war der November 2009, als der griechische Finanzminister Giorgos Papakonstantinou einräumte, dass das Haushaltsdefizit nicht etwas bei sechs Prozent (wie bis dahin angenommen) und schon gar nicht bei drei (wie von der EU verlangt), sondern bei 12,7 Prozent liegt. Der griechische Staat gibt also mehr aus, als er einnimmt. Eine Reihe von Gründen soll hier genannt werden: Griechen zahlen nicht gerne Steuern – ein bisschen wie Monte Carlo nur ohne Casions. Steuerhinterziehung gilt als harmloses Kavaliersdelikt. Zwei Drittel aller griechischen Ärzte geben ein Einkommen von unter 12000 Euro an, denn ab diesem Betrag sind Einkommen steuerpflichtig.

Miranda Xafa, ehemals beschäftigt bei der Investmentbank Salomon Brothers, rechnete bereits 1998 aus, dass die Haushaltsdefizite der vorangegangenen 15 Jahre nur halb so groß gewesen seien, wie die im selben Zeitraum akkumulierten Schulden. Genau genommen ist Griechenland seit seiner Loslösung vom Osmanischem Reich im Jahre 1833 jedes zweite Jahr pleite gewesen. Doch wie auch anderswo auf der Welt provozierte ein unbeschränktes Kreditangebot einen kurzen Immobilien- und Wirtschaftsboom, der natürlich ein jähes Ende nahm und leerstehende Häuser, überschuldete Verbraucher und leere Staatskassen hinterließ. Die derzeitige Staatsverschuldung Griechenlands liegt bei 154 Prozent. Mit Ausnahme von Großbritannien zu Zeiten des Britischen Empires hat noch nie ein Land ein solches Schuldenniveau erreicht, ohne Bankrott zu machen.

Der Bankrott hat den Vorteil, dass er bis jetzt jedes Schuldenproblem löste, gilt aber als politisch nicht besonders opportun und zwar aus drei Gründen. Erstens würde es das Ansehen der europäischen Idee, dass irgendwann alle Länder Europas einen Staat bilden, beschmutzen. Zweitens besteht immer noch die Illusion, dass Griechenland weiterhin in der Eurozone bleiben könne. Drittens hat sich spätestens seit 2008 allgemein die Vorstellung durchgesetzt, dass Banken und ihre Aktionäre um jeden Preis vor Aufregung geschützt werden müssen, weil sie sonst gleich wieder Depressionen bekommen und womöglich den Rest der Welt damit anstecken könnten.

Ab der Mitte des Filmes wird ein geografischer Schwank in Richtung Südamerika genommen. Zu recht wütende Menschenmassen, inkompetente Staatsoberhäupter und brache Infrastrukturen flackern umbarmherzig eine halbe Stunde auf den Zuschauer hernieder. Erst wenn die Spekulation platzt, kommt die Wahrheit ans Licht. Was für Scharfsinn gehalten wurde, entpuppt sich lediglich als zufällige Liaison mit Vermögenswerten. Die Irregeführten treten den Rückzug in die Niederungen des Obskuren an. Was lernen wir daraus? Schon vor 300 Jahren wurden Aktien gehandelt, für solche wirklich „wichtigen“ Dinge wie ein Gewehr, das runde und rechteckige Munition verschießen konnte, je nachdem ob der Feind Christ und Muslime war, oder von einem Handelsunternehmen, dass potentielle Käufer mit der Stilblüte umgarnte „ein Vorhaben von großem Vorzug durchzuführen, dass aber niemand kennt.

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