Programm der Perspektive Deutsches Kino steht
"Die Jugend ist kritisch"
Mit 13 Filmen, darunter drei langen Dokumentar- und vier langen Spielfilmen sowie zwei Programmen mit jeweils drei mittellangen Filmen, ist die Perspektive Deutsches Kino 2012 komplett. Mit der kurzen Zusammenfassung: „Die DDR war bunt, die Jugend ist kritisch und gute Filme erzählen sich im Kopf zu Ende„, kommentiert Sektionsleiterin Linda Söffker ihre Auswahl. Der West-Berliner Michael Schöbel und der Ost-Berliner Ronald Vietz haben 2011 die Produktionsfirma Wildfremd Productions gegründet, um einen Film über Jugendliche in den 80ern in der DDR zu machen, wie man ihn so im Kino noch nicht gesehen hat. Unter der Regie von Marten Persiel beleben sie die fremde seltsame Welt der „Rollbrettfahrer“ in der DDR wieder und verwenden dafür wahre Schätze an ausgegrabenen Super-8-Filmen aus dieser Zeit. Erzählt wird die Pubertätsgeschichte dreier Teenager, die auf dem Asphalt der bröckelnden DDR der 80er Jahre ausgerechnet das Skateboard für sich entdecken. Das Brett aus Amerika, wird für sie nicht nur der spielerischen Mittelpunkt der letzten Sommer im Osten, sondern auch zum Wahrzeichen ihrer Autonomie von einem altersschwachen Regelstaat der seine eigenen Bürger nicht mehr versteht. Die Mischung aus Inszenierungen und Archivmaterial erlaubt einen unkonventionellen Blick auf das Universum der Jugendlichen in der späten DDR.
Anders als die Skateboardfahrer in der DDR rebellieren jugendliche Poetry Slammer mit Poesie, politischen und sozialkritischen Visionen oder mit Nonsense. Der Dokumentarfilm „Dichter und Kämpfer“ von Marion Hütter begleitet vier Wort-Akrobaten aus Berlin, Leipzig, Bochum und Stuttgart ein Jahr lang mit der Kamera und zeigt ihre Lust, den Leuten was zum Denken auf die Ohren zu geben. Der dffb-Abschlussfilm „Die Vermissten“ von Jan Speckenbach mit André M. Hennicke in der Hauptrolle entwirft eine Eltern-Angst-Vision von verschwindenden Kindern. Verschwinden sie unfreiwillig, weil ihnen etwas zugestoßen ist? Oder verschwinden die Kinder, weil sie gegen die Eltern rebellieren und nach einem Gegenentwurf zu ihrem Leben suchen? Jan Speckenbach, dessen Kurzfilm „Gestern in Eden“ 2008 in der Cinefondation in Cannes lief, spielt in seinem Debüt mit einem bedrohlichen Szenario.
Auch Tamer Yiğit und Branka Prlić erzählen in ihrem selbstfinanzierten Spielfilm „Karaman“ eine Geschichte, die sich im Kopf jedes Zuschauers anders zu Ende erzählt. Zehra (Isilay Gül) will aus der Türkei nach Deutschland auswandern. Aber als Muslima ein islamisches Land gen Westen verlassen? Da spielt die Familie nicht mit. „Karaman“ ist der zweite Spielfilm des Regie-Duos Yiğit und Prlić.
Vier mittellange Filme runden das Programm ab: Der 43-minütige Spielfilm „Trattoria“ (R: Soleen Yusef), produziert an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg; der an der ifs köln entstandene 26-minütige Spielfilm „Ararat“ von Engin Kundag; der von Credofilm (Berlin) produzierte 32-minütige Spielfilm über die Lust am Müßiggang „Sometimes we sit and think and sometimes we just sit“ (R: Julian Pörksen) und der von Alice Gruia selbst produzierte 53-minütige Dokumentarfilm „Rodicas“ über die beiden Freundinnen gleichen Namens.