Interview mit der „Vierzehn“-Regisseurin Cornelia Grünberg

"Kein angeklebter Bauch"


Cornelia Grünberg

Cornelia Grünberg

In ihrer Dokumentation „Vierzehn“ begleitet Regisseurin Cornelia Grünberg vier 14-jährige, schwangere Mädchen. Von der Entscheidung, nicht abzutreiben, über die Geburt und die ersten schlaflosen Nächte bis hin zu den Schulbesuchen mit Baby ist die Kamera dabei. Immer ganz nah dran und doch mit einer erstaunlichen Objektivität zeigt „Vierzehn“ die Höhen und Tiefen schonungslos und wertfrei. Auf der Berlinale läuft die Dokumentation in der Sektion Generation außer Konkurrenz.

Wie ist „Vierzehn“ entstanden?
2003 habe ich den Roman „Rückwärts ist kein Weg“ von Jana Frey gelesen. Diese Geschichte eines 14-jährigen Mädchens, das schwanger ist und sich gegen alle Einflüsse von außen für ihr Kind entscheidet, hat mich tief berührt. Aus diesem Stoff wollte ich unbedingt einen Spielfilm machen, bin allerdings mit meinem Treatment zunächst auf totale Ablehnung gestoßen. Die Thematik fanden viele Produktionsfirmen geradezu abwegig. Aber ich habe nicht locker gelassen und bin schließlich mit der Kinderfilm GmbH zusammengekommen, mit denen ich mein Projekt realisieren konnte.

Aber nicht als Spielfilm, sondern als Dokumentation?
Ich habe immer mit beiden Genres geliebäugelt. Schon beim Casting für den Spielfilm habe ich nach einer Darstellerin gesucht, die in einer ähnlichen Situation wie die Romanfigur ist. Ich wollte auf keinen Fall mit angeklebtem Bauch drehen. Während meinen Recherchen hat sich dann immer mehr herauskristallisiert, dass das Thema nur als Dokumentation wirklich funktioniert. Ich war in Kontakt mit Schwangerschaftskonfliktberaterinnen in ganz Deutschland und habe über diese schließlich meine vier Protagonistinnen Steffi, Lisa, Fabienne und Laura gefunden. Jede mit ihrer ganz speziellen Geschichte und ihrer ganz eigenen Art, damit umzugehen.

Welche Rolle spielt Ihre eigene Geschichte für den Film?
Ich bin selbst mit 20 Jahren ungeplant schwanger geworden. Meine Geschichte war nicht der Auslöser für diesen Film, aber eine große Motivation. Und der Schlüssel zum Vertrauen der Mädchen. Wir waren immer auf Augenhöhe und mir war eine wertfreie Sicht auf ihre Geschichten ein großes Anliegen. Ich habe ja schließlich keinen Aufklärungsfilm für den Schulunterricht machen wollen, sondern einen realistischen und unterhaltsamen Film über Teenager, die Mütter werden.

Laura sagt in einer Szene „Ich kann manchmal verstehen, warum Leute ihre Kinder umbringen“. Haben Sie überlegt, diese Äußerung rauszunehmen?
Nein. Für mich war es ganz klar, diesen Satz stehen zu lassen. Laura ist ein sehr ehrlicher Mensch und von ihrer Seite gab es auch im Nachhinein keine Bedenken. Jede Mutter und jeder Vater kennt das Gefühl, das nach drei schlaflosen Nächten das eigene Fassungsvermögen einfach überschritten ist. Laura spiegelt mit ihrer Äußerung nur die Realität wieder, das Gefühl der Überforderung, mit dem Eltern eben manchmal kämpfen müssen.

Im Kinder- und Jugendprogramm der Berlinale finden sich dieses Jahr wieder eine Handvoll Dokumentationen. Wie wichtig ist dieses Genre gerade für das junge Publikum?
Total wichtig. Der ganz normale Alltag anderer Kinder hat eine unglaubliche Faszination, Kinder können sich hier wiederfinden. In diesem Bereich hat Yvonne Beckel von der Kinderfilm GmbH in den letzten Jahren unglaublich gute Sachen entwickelt, darunter eine Reihe über Kinder, die sich am Musikgymnasium in Weimar bewerben.

Wie wichtig ist das Prädikat „Berlinale“?
Ich war bereits 1999 mit dem Abenteuerfilm „Zwei in einem Boot“ in der Sektion Generation vertreten, der gleichzeitig der Diplomfilm meines Kameramannes Heiko Merten war. Wenn die Berlinale ruft, dann muss man da hin. Es ist ein anspruchsvoller Rahmen und für den eigenen Film gibt es kaum eine bessere Werbung. Zu sehen, dass es außer „Vierzehn“  und einigen Kurzfilmen kein Beitrag aus Deutschland ins Generations-Programm geschafft hat, ist allerdings ein Trauerspiel. Aus anderen, oftmals viel ärmeren Ländern kommen die tollsten Kinderproduktionen und wir in Deutschland schaffen es nicht, eine Kinderfilmkultur wieder aufzubauen.

Woran liegt das?
An Ideen fehlt es nicht, es werden fleißig Geschichten entwickelt, die auch regelmäßig Preise gewinnen. Aber umgesetzt wird nichts, weil kein Sender dafür Geld ausgeben will. In Dänemark und Schweden beispielsweise läuft die Kinder- und Jugendfilmförderung höchst erfolgreich. Hier haben vor allem auch Filme eine Chance, die die Alltagskultur wiederspiegeln.

Bleiben Sie in Kontakt mit Fabienne, Lisa, Steffi und Laura?
Nicht nur das. Wir arbeiten weiter mit ihnen, denn mein Wunsch ist es, aus ihren Geschichten eine Trilogie zu machen: „Vierzehn„, „Achtzehn“ und „Achtundzwanzig„. Im dritten Teil wären ihre Kinder dann so alt, wie sie selbst, als sie zum ersten Mal Mutter wurden. Das wird sehr spannend. Die Mädchen haben bereits alle zugesagt.

Interview: Verena Manhart