Interview mit Moritz Bleibtreu

Macht ist ein Spiel


Die Natur des Geschichtenerzählens

Wie beurteilen Sie die Verknüpfung von politischer Macht und den Medien, die sich gegenseitig instrumentalisieren?
Das ist die Natur einer profitorientierten Leistungsgesellschaft. Eine Hand wäscht die andere. So funktioniert Kapitalismus. Das ist genauso notwendig, wie es schlimm ist. Und es wird sich nicht verändern lassen.

Es steht immer wieder im Raum, dass Medien Prominente mit zurückgehaltenen Informationen erpressen. Sie sind prominent, wurden Sie schon mal erpresst?
Leute, die sich prügeln, um über rote Teppiche zu rennen, müssen sich nicht wundern, wenn sie zu einem Spielball der Medien werden. Wobei es bei einigen der eingesetzten Methoden aufhört. Ich habe letztes Jahr mit Jude Law gedreht, der seine 160.000 vom Verlag zugesprochen bekam, weil er abgehört wurde [vom britischen Boulevard-Blatt „The Sun“, Anm. d. Red.]. Das ist kriminell und hat nichts mit gewöhnlichem Boulevardjournalismus zu tun. Schon gar nicht in Deutschland. Grundsätzlich ist das ein Spiel, bei dem du dir überlegen musst, ob und wieweit du daran teilnehmen willst. Die Annahme, dass Musiker, Schauspieler & Co diese Medien brauchen, um erfolgreich zu sein, ist nur bedingt richtig. Es kommt darauf an, was da vermarktet wird. Das „Produkt“, was ein Künstler geschaffen hat, also das Lied, ein Film, ein Bild oder die eigene Persönlichkeit.

Es gibt den Fall von Charlotte Roche, die Jahre nach dem tragischen Unfalltod ihrer halben Familie in einem „Stern“-Interview angab, von der „Bild“ erpresst worden zu sein. Sie sollte direkt nach dem Vorfall mit einem Paparazzi-Foto zu einem Interview mit „Bild“ gedrängt werden.
Das ist schrecklich, unmenschlich, vor allem aber kriminell. Ich bin da nie wirklich schlecht behandelt worden, aber habe da natürlich auch unschöne Erfahrungen gemacht. Es reicht schließlich auch, wenn das Telefon am Tag fünfmal klingelt, wenn es darum geht, wie du zu deiner Mutter gestanden hast, die gerade gestorben ist.

War da für Sie eine Grenze erreicht?
Ja, aber trotzdem ist mir klar, dass das leider ein Teil des Lebens ist, das ich mir ausgesucht habe. Das hat mit dem, was Charlotte passiert ist, nichts zu tun, das ist einfach nur kriminell, hat mit dem Grundproblem nichts mehr zu tun und gehört bestraft.

War diese Erfahrung nach dem Tod Ihrer Mutter Ihr schlimmstes Erlebnis mit den Medien?
Ja, oder als meine Freundin schwanger war und Fotos von ihr auftauchten. Das ist nicht schön. Ich habe kein Bock, ein Foto meiner schwangeren Freundin, die das selbst auch nicht wollte, in einer Zeitung zu sehen. Doch so lange es keine Gesetzeslage gibt, die Persönlichkeitsrechte besser schützt, wird so etwas passieren. Frankreich ist da ein kleines Vorbild, die sind da ein kleines Stück weiter. Aber das ist so im Leben, für alles was du machst, musst du einen Preis bezahlen. Und das ist Teil meines Preises. Du musst lernen damit umzugehen. Das geht ja schon viel früher los, wenn du einen Film machst und in jeder Zeitung steht, wie Scheiße der war. Das macht keinen Spaß, ist aber Teil davon. Es ist nett, wenn dich die „Bild“ zum zweitschönsten Mann Deutschlands kürt, aber eben nicht so nett, wenn du auf einmal deine schwangere Freundin in der Zeitung siehst.

Alice Schwarzer, Franz Beckenbauer oder Schauspieler wie Armin Rohde und Veronica Ferres haben bereits Werbung für „Bild“ gemacht. Könnten Sie sich auch vorstellen, für „Bild“ zu werben?
Nein. Ich finde die Kampagne als solche inhaltlich aber sehr interessant. Man erkennt, wie schlau die Leute bei der „Bild“ sind. Ich behaupte schon lange, dass Anti-Werbung das nächste große Ding wird. Man kann nicht ehrlicher mit dem eigenen Produkt umgehen, als es kritisch zu hinterfragen. Diese Ehrlichkeit ist ein großes Thema, da wir alle mehr Schein als Sein sind. Das ist eine perfide, aber intelligente Kampagne. Ich lese die Bild nicht, deshalb würde ich nicht für sie werben.

Ist das Spiel mit den Medien der Grund, warum immer mehr Schauspieler auf strikten Autorisierungsvereinbarungen beharren?
Es liegt in meinem eigenen Interesse. Gerade als junger Mensch redet man viel Scheiß und weiß gleichzeitig sehr wenig über die Gesetze des Journalismus. Man weiß nicht, dass die Antwort auf eine gestellte Frage zur Antwort auf drei gedruckte Fragen wird. Man weiß nicht, dass das geschriebene Wort so viel mehr Macht hat, als das gesprochene. Hat man einmal Pech, dreht man durch und denkt sich: „Die Schweine, ich will jedes einzelne Wort, das die drucken, sehen!“ Es gibt immer wieder Vögel, die da gemein sind. Ich behalte mir das Recht vor, noch einmal drüber zu sehen. Es ist schon lange her, dass ich etwas gestrichen habe. Das grundsätzliche Recht, seine wörtliche Rede zu kontrollieren, finde ich richtig.

Warum glauben Sie, sind Journalisten „gemein“ und verdrehen Zitate in ihrem Sinne?
Was sich verkauft, sind einfache, prägnante Dinge. Deshalb geben Journalisten häufig nicht den Menschen wieder, den sie getroffen haben, sondern den, den sie im Kopf haben. Oft geht es mehr darum, dieses Bild zu untermauern und zu verkaufen, als zuzuhören. Ich hatte wahrscheinlich deshalb wenig Stress mit der Yellow Press, weil ich so idealistisch bin und denke: „Das sind ja auch Menschen und mit Menschen kann man reden.“ Deshalb würde mich interessieren, was vor dem Anruf von Wulff bei Kai Diekmann passiert ist. Das kann nicht der erste Anruf gewesen sein. Darüber redet aber niemand. Interessant wäre zu wissen, was im Vorfeld passiert ist. Da liegt der Hund begraben.

Der Kampf um Pressefreiheit ist in Russland eine sehr ernste Angelegenheit, die immer wieder auch Menschenleben fordert. Wie heikel ist es, daraus Entertainment zu machen, wie bei „Die Vierte Macht„?
Das ist die Natur des Geschichtenerzählens, die vordergründig erzählt, aber eben auch hintergründig eine zweite Ebene hat, die mal mehr und mal weniger ausgeprägt ist. Für mich unterhält ein guter Film erstmal und ist danach erst relevant. Bildungsfilme mag ich überhaupt nicht. Schaue ich einen Film, bei dem ich das Gefühl habe, dass der mir was verkaufen will, auf soziale Missstände aufmerksam machen will, ist das für mich vergeudete Liebesmühe. Liegt mir das gesellschaftliche Wohl so sehr am Herzen, dass ich unbedingt etwas verändern will, dann sollte ich keine Filme machen. Das ist der falsche Ansatz. Dann sollte man in die Politik gehen. Das Tolle am Geschichtenerzählen ist, dass da mehr ist als das, was sichtbar ist. Viele Filme lassen sich auf zwei Arten gucken: Bei der einen geht es um die vordergründige Unterhaltung, bei er anderen darum, was dahinter ist.

Sie haben sich klar für das Kino und gegen das Fernsehen entschieden. Worin liegen die Gründe dafür?
Der Grund ist ein pragmatischer: Ich mag am Kino das Gemeinschaftserlebnis. Ich finde es besser einen Teil von „Pirates Of The Caribbean“ mit 900 Leuten zu schauen, als allein vorm Fernseher. Das ist ein anderer Sport. Menschen müssen sich aufraffen und ins Kino gehen. Sie müssen ihre Aufmerksamkeit auf die Füße stellen und da hingehen, müssen sie teilen. Jemand, der für einen Film 15 Minuten durch den Regen gelaufen ist, bringt viel mehr Aufmerksamkeit mit, als jemand, der mit seinem Bier vorm Fernseher sitzt und jederzeit wegschalten kann. Das hat sicher mit meiner Kindheit zu tun. Ich bin bei Proben auf Theaterbühnen groß geworden. Und zum Theater müssen die Leute auch hinkommen. Ich bin nicht inhaltlich gegen das Fernsehen. Im Gegenteil, gerade die öffentlich-rechtlichen Sender machen gute Sachen. Ich kann mindestens eine handvoll Produktionen nennen, die alle auf der Leinwand hätten laufen können. Oder wenn man sich HBO in den Staaten ankuckt, Serien wie „The Wire“ oder „Breaking Bad„. Da legt das Fernsehen Meilensteine hin.

Die Fragen stellte Denis Demmerle.

Das Gespräch erschien auch auf planet-interview.de.

Die vierte Macht, Regie/Drehbuch: Dennis Gansel, Hauptdarsteller: Stipe Erceg, Moritz Bleibtreu, Max Riemelt, Kasia Smutniak, Reiner Schöne, Mark Ivanir, Rade Serbedzija, Cosima Shaw, Kinostart: 8. März

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