Rückblick auf das Berlin Documentary Forum 2

Der Mensch zwischen den Fremdwörtern


Filmszene: Peter Nestlers "Tod und Teufel" (Deutschland 2009), Foto: Deutsche Kinemathek - Museum für Film und Fernsehen

Filmszene: Peter Nestlers "Tod und Teufel" (Deutschland 2009), Foto: Deutsche Kinemathek - Museum für Film und Fernsehen

Das Talkduo Farocki/Wildenhahn gelangt nämlich an einen ähnlichen Punkt wie die Paarung Schneider/Heise, ein paar Tage später: Fragender versucht, mal mehr, mal weniger geschickt, die beiden K.-Wörter einzuflechten, was in den meisten Fällen auf völliges Desinteresse der Befragten trifft. Besonders eindeutig zu beobachten bei Schneider/Heise, wenn Letzterer den um Worte ringenden Schneider  mit kühler Ignoranz abspeist und mit leicht stichelnden Pointen im sprachlichen Dickicht verlaufen lässt. Womöglich ein Zeichen für die bestehende Differenz zwischen theoretischer Versuchsanordnung und tatsächlicher Praxis. Die „vom Zufall geschenkten Momente“ sind offenbar schwer zu erklären. Dafür unterhält Thomas Heise das Publikum stilsicher mit Anekdoten zum Produktionsprozess von „Wundkanal“ (BRD 1984, Thomas Harlan), was auch sehr schön ist.

Echte Empörung gibt es beim BDF eigentlich nur ein einziges Mal: Nach dem Screening von „Der lachende Mann – Bekenntnisse eines Mörders“ (DDR 1966, Walter Heynowski/Gerhard Scheumann) springt ein entsetzter Gast auf, um zu erklären, dass er solch Stasimethoden (im Film wird der bereits im Magazin Stern thematisierte „Kongo-Müller“ unter falschem Vorwand  in ein Münchner Fernsehstudio gelockt und mit Pernod „betrunken gemacht“, um seine „wahre Ideologie“ zu offenbaren) nicht dulden könne und erst recht nicht im Dokumentarfilmbereich. Ein klares Wort aus den Reihen, für dessen Debatte am Diskussionstisch leider die Zeit nicht mehr reicht.  Denn die Türen zur Pause sind schon fast geöffnet. Kraft tanken, um den schwedischen Ethnologen und Antisemiten Eric von Rosen auf seiner Expedition durch Afrika, Anfang des 20. Jahrhunderts, zu begleiten, „Tod und Teufel“ (D 2009, Peter Nestler).

Kein Diskussions-, dafür aber Proseminarflair kommt in Volkmar Pantenburgs sehr interessantem, Vortrag „Die Geste des Schwenkens“ auf, der anhand zahl- und wortreich untermalter Sequenzen die theoretische Lücke des Schwenks zu schließen versucht. Der ambitionierte Plan von Pantenburg hat jedoch eines nicht bedacht:  Die englische Übersetzung überschlägt sich im Angesicht der unzähligen Termini, vereinzelt nehmen Zuhörende frustriert die Geräte von ihren Köpfen. Resümierend lässt sich sagen, dass das zweite Berlin Documentary Forum um eines nicht verlegen war:  Input. Ob die Begriffe Kontingenz und Kontrolle zukünftig den dokumentarfilmtheoretischen Diskurs positiv beleben können, bleibt abzuwarten. Positiv zu bemerken aber bleibt in jedem Fall: An Interessierten  mangelt es offenbar nicht. Und das ist eine feine Sache.

Carolin Weidner

1 2