Interview mit Frédéric Beigbeder

Wir sind verdorben


Zwischen Buch und Film liegen 15 Jahre. Gibt es im Buch Dinge, die sich in der Zwischenzeit überholt haben?
Ja, reichlich. Mit dem Film wollte ich Einiges davon loswerden und Anderes hinzufügen. Zum Beispiel gab es noch keine Handys und kein Internet, im Film gibt es aber SMS. Auch die Eltern kamen im Buch nicht vor, genau wie der schwule Freund. Gleichgeschlechtliche Ehen konnten damals nicht geschlossen werden. Das ist auch einer der Gründe, warum ich Regie führen wollte. So hatte ich die Möglichkeit, ein bereits veröffentlichtes Werk zu verbessern. So etwas kommt im Leben eines Schriftstellers normalerweise nicht vor. Wenn ein Buch einmal draußen ist, ist es zu spät es zu verbessern.

Was mochten Sie denn nicht mehr an Ihrem Buch?
Das ist wie mit Witzen, die man früher lustig fand und für die man sich heute schämt. Sicher sind jetzt auch einige neue Witze dabei, für die ich mich in ein paar Jahren schämen werde. Im Buch gab es zum Beispiel eine Szene, in der Marc in einen Sexshop geht und onaniert, viel säuft und Drogen nimmt. Anschließend kehrt er in sein Appartement zurück und kotzt alles voll. Das ist echter Trash. Aber damals, 1997, war es modern, eine Menge Kotze und Scheiße, Drogen und Sex in seinem Buch zu haben. Vielleicht war das damals sogar notwendig. Dafür gibt es im Film jetzt eine Szene, in der sich Marc und seine große Liebe zusammen übergeben, eine romantische Kotzszene sozusagen. Aber nicht so trashig, wie es Charlotte Roche schreibt. Ich war in den 90ern ein bisschen wie sie.

Offensichtlich ähnelt Ihnen Marc Marronnier sehr. Wie schwierig ist es, eine Person zu finden, die einen selbst spielt?
Es war unheimlich schwierig. Jean Dujardin mochte das Buch, hatte aber keine Zeit und ich habe fünf Jahre lang nach dem passenden Schauspieler gesucht. Dann sah ich Gaspard Proust auf der Bühne und wusste: Das ist er. Er ist zynisch, cool, pessimistisch und hinter seiner harten Schale doch zerbrechlich und scheu. Ich verliebte mich in ihn und gestand es ihm, obwohl ich normalerweise nur auf Frauen stehe (lacht). Er ist anders, originell und sehr offen. Ich mag Schauspieler, die nicht nur Schauspieler sind. Er ist auch Comedian und Autor und brachte eine Reihe von Vorschlägen ein.

Bekam er auch die Erlaubnis, „Sie“ zu improvisieren?
Das würde ich so nicht sagen. Die Dialoge standen fest. Aber wir haben viel gemeinsam geprobt und dabei auch Einiges umgeschrieben. Beim Drehen bin ich kein großer Freund von Improvisation. Da gab es nur wenige Ausnahmen. Der Text entwickelte sich vorher bei den Proben.

Neben dem Schreiben als Autor, sind Sie Gastgeber einer Fernsehshow, Herausgeber und jetzt auch Regisseur. Testen Sie auch Grenzen aus? Zum Beispiel, in dem Sie ein Buch empfehlen, um zu sehen, wie es davon profitiert?
Es wäre anmaßend das zu behaupten, aber manchmal bin ich nützlich für andere. Ich bekam so die Chance, Leute kennen zu lernen, die ich bewundere, wie Simon Liberati und Pierre Mérot. Ich habe inzwischen allerdings damit aufgehört, weil ich nicht mehr zum Schreiben gekommen bin. Ich mag es, als Journalist oder Gastgeber einer Fernsehshow über die Arbeit anderer zu urteilen. Als Schriftsteller verstehe ich Kollegen nicht, die keine ihrer Zeitgenossen lesen. Ich bin sehr neugierig, was in der Literatur und auch im Kino passiert, ich sehe das als Teil meines Jobs. Ansonsten wäre ich doch wie ein Maler, der nicht ins Museum oder in Galerien geht. Das wäre absurd.

Wieso haben Sie sich für diese oft gesehene, romantische Flughafenszene am Schluss entschieden? Ist das Ironie?
Im Buch war die Szene ironisch geschrieben. Sie läuft durch den Flughafen und trifft den Modedesigner Christian Audigier, der in Frankreich belächelt wird. Das habe ich im Schnitt raus genommen, weil ich am Ende sehr bewegt war, als wir den Film fertig geschnitten hatten. Vielleicht ist es im Film jetzt ein wenig viel, daher auch diese Welle und der Dialog am Ende. Ich hoffe es ist nicht zu cheesy.

Werden Sie wieder Regie führen? Oder hat Sie die Arbeit an „Das verflixte 3. Jahr“ zu sehr ausgelaugt?
Es ist tatsächlich sehr anstrengend, aber eben auch sehr aufregend. Ich gönne mir jetzt eine Pause für zwei Monate oder Jahre – und wenn ich mutig genug bin, werde ich es wieder tun. Alleine und zurückgezogen in einem Raum ein Buch zu schreiben, ist auch sehr anstrengend. Beim Drehen hast du zwar Panikattacken, aber du bist weniger ängstlich, weil du besser vorbereitet bist. Wir hatten das Storyboard, dann die Proben vorher – das ist dann weniger angsteinflößend, als ein Buch zu schreiben.

Die Fragen stellte Denis Demmerle. Das Gespräch erschien auch auf planet-interview.de.

„Das verflixte 3. Jahr“ Regie/Drehbuch: Frédéric Beigbeder, Valérie Lemercier, Frédérique Bel, Louise Bourgoin, Elisa Sednaoui, Gaspard Proust, Kinostart: 19. Juli

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