Rückblick auf die „David Lynch Conference“

Genug Schatten


So beginnt Kothenschulte seine Reise bei Diane Arbus, die für ihre schonungslose Ablichtung von Exzentrikern und Randfiguren der Gesellschaft bekannt wurde, geht dann in der Geschichte ein Stück zurück zu Walker Evans und seinem bahnbrechendem Fotoband „Preisen will ich die großen Männer“, um seine erste These zu formulieren: Das alltägliche Leben in den USA ist per se surreal. Anschließend folgte eine Untersuchung des Highways bei Lynch im Vergleich zur Darstellung des Highways vor und nach dem zweiten Weltkrieg. Vor dem zweiten Weltkrieg hatten die Highways etwas von Wasserstraßen. Soll heißen: An ihren Seiten befand sich Leben. Merkwürdiges Leben. Komisches Leben. Abschreckendes Leben. Nach dem zweiten Weltkrieg ist dieses Leben verschwunden. Nur noch Ruinen tauchen auf. Der Highway ist zu einem transzendentalen Ort geworden. Er symbolisiert eine Reise nach Nirgendwo oder in den Tod. Dazu passend liefen Ausschnitte von „Wild at Heart“ und „Lost Highway„.

Jetzt ging es um das Motiv des Doubles und der Arbeit von Lucybelle Crater. Innerhalb des Blickwinkels ihrer Kamera lauern einige der beängstigendsten Szenen Lynchs. Sinistrer Schlusspunkt des Ganzen war Charles Van Schaicks berühmt-berüchtigtes Fotoalbum „Wisconsin Death Trips“. Kothenschulte war es gelungen, innerhalb von einer Stunde die wichtigsten Elemente der Bildsprache Lynchs auf ihren Ursprung hin zu katalogisieren. In der Klarheit wird man danach wirklich suchen müssen – seine Arbeit ist damit beachtlich. Die Lynch-Tagung war ein trockenes Vergnügen. Sitzfleisch war von Vorteil, ebenso eine meterlange Kenntnis entsprechender Sekundärliteratur. Das systematische Nachdenken über Lynch wäre mit herbstlichem Wetter als Konzentrationsgrundlage wohl besser beraten gewesen, aber seine Bilder spendeten genug Schatten in diese gemischte Gesellschaft.

Joris J.

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