Wotan Wilke Möhring: Als Punk zur Bundeswehr

Als Punk zur Bundeswehr


Tritt Ihr „Tatort“ in Konkurrenz zu Til Schweiger?
Nein. Das ist durch die NDR-Situation so interpretiert worden, aber nun richtig sortiert: Er ist für Hamburg und ich bin für den Norden zuständig – wobei Hamburg im Norden liegt. Ich habe mich absichtlich für Hamburg entschieden, weil ich Großstadtthemen darstellen wollte, organisierte Kriminalität und brennende Autos. Das Format ist die Stärke. Die Leute schalten um 20.15 Uhr in erster Linie den „Tatort“ ein, nicht dich. Vielleicht später auch mal dich, und Til ist sicher ein Zuschauermagnet, eine Institution, was die Bekanntheit angeht. Ich fühle mich auch in kleineren Produktionen sehr wohl und konnte an einigen Fernseh-Perlen teilhaben, wie „Die Hoffnung stirbt zuletzt„, „Der letzte schöne Tag“ oder „Kuckuckszeit„. Das sind alles Filme, die mir persönlich sehr viel bedeutet haben. Die Herausforderung ist da eine andere, als die Masse zu erreichen, was Tils Spezialität ist.

Beim „Tatort“ arbeitet von der Redaktion bis zur Produktion ein großes Team. Inwiefern können Sie da Einfluss nehmen?
Von Wüste-Film, die meinen ersten Tatort produzieren, wurde ich stark in die Entwicklung eingebunden. Das ist sehr zeitaufwendig, aber: Wir wollen den Grundstein für eine Reihe legen, im Film werden Fährten für die Figur gelegt, du bahnst Geschichten an. Das ist anders und ist auch neu für mich. Bisher habe ich Reihen immer abgesagt, jetzt bin ich aber an einem Punkt, an dem ich einen Charakter entwickeln und über viele Episoden erzählen will, nicht alles auf einmal, sondern nach und nach. Und ich möchte die Fälle in den Vordergrund stellen. Das liebe ich zum Beispiel an skandinavischen Krimis: Es gibt Dunkelheit da draußen! Das finde ich interessanter, als die Rotwein-Vorliebe des Kommissars.

Wenn man Ihnen Drehbücher schickt, wie entscheiden Sie sich dann für eine Nebenrolle oder gegen eine Hauptrolle?
Finanzielle Reize haben mich noch nie interessiert – und ich habe sehr gute Erfahrungen mit Nebenrollen. „Lammbock“ waren für mich zwei Drehtage, die mir in Form von Zitaten bis heute entgegenschlagen, „Ey, ihr Fotzen, Limbo“ dürfte immer noch vielen bekannt sein. Es gibt keine kleinen Rollen. Es gibt Rollen, die einen Beitrag zum Film haben, der echt wichtig sein kann. Im Englischen heißen Nebendarsteller ja Supporting Characters, sie haben eine Aufgabe im Film, sie bringen die Hauptfigur zur Geltung. In „Mann tut was Mann kann“ haben Jan Josef Liefers und Oliver Korittke eindeutige Aufgaben, in denen sie sich austoben können. Der Film „Antikörper“ war da zum Beispiel eine große Ausnahme für mich. In der Hauptfigur treffen sich Gut und Böse und reiben sich. Du musst dir überlegen, ob du der sein willst, der als Hauptdarsteller in den Augen der Zuschauer durch die Geschichte führt oder ob du dich als Sidekick austoben willst. Beides kann toll sein.

Werden Nebenrollen also unterschätzt?
Ich unterschätze sie auf keinen Fall. Und es gibt sogar einen Oscar dafür! Beim „Tatort“ kann ich natürlich keinen Bösewicht mehr spielen, keinen fiesen Psycho – das ist jetzt weg. Der Ermittler wird ja nicht zum Psycho, sondern im Auge des Betrachters sollen sich viele hinter ihm versammeln können. Du bist der, der die Frage stellt: Wo waren Sie zur Tatzeit? Die Faszination des Bösen gibt man auf, wenn auch vielleicht nicht ganz.

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