Wotan Wilke Möhring: Als Punk zur Bundeswehr

Als Punk zur Bundeswehr


Deutschland hat den „Tatort“, die USA glänzen im Fernsehen vor allem mit HBO-Serien. Beneiden Sie die USA manchmal um deren Fernsehprogramm?
Bei der Vielzahl amerikanischer Topserien stehen wir tatsächlich schlecht da. Doch das ist dort kein öffentlich-rechtliches Fernsehen, sondern Pay-TV. Das vergessen hier viele. Ansonsten: Ich habe zwei Jahre drüben gelebt und kann sagen, das ist das schlechteste Fernsehen, dagegen sehen wir mit Formaten wie dem „Kleinen Fernsehspiel“ ziemlich gut aus. Der Unterschied ist allerdings: Die Amerikaner wollen was machen, was noch keiner gemacht hat – und sie machen das einfach. Wir machen eher Dinge, die es schon gibt. Dem deutschen Film und dem Fernsehen fehlt es nach wie vor an Mut, bis auf ein paar Ausnahmen. Filme wie „Der letzte schöne Tag“ erfordern Mut, und den gilt es zu unterstützen.

Wovon träumen Sie als Schauspieler?
Natürlich träume ich von Figuren, gerade auf dem internationalen Markt, die mich noch mehr herausfordern, bei denen du Gas geben kannst. Im Ausland gibt es andere Möglichkeiten als bei uns. Wenn ein Regisseur wie Ken Loach anrufen würde, wäre ich sofort da, die müssen nicht aus den USA sein. Lars von Trier macht auch sein Ding und ist erfolgreich.

Lars von Trier ist jemand, der in seinen Film sehr weit geht, wenn man zum Beispiel an „Antichrist“ denkt. Gibt es für Sie Grenzen?
Ich mag keine Schauspieler, die ein Drehbuch lesen, zusagen und dann plötzlich keinen Bock haben, sich nackt zu zeigen – denn das stand im verdammten Drehbuch. Also: Klär’ das vorher oder sag’ nicht zu. Du weißt, worauf du dich einlässt, wenn du das Drehbuch liest. Mir fällt es schwer, zu sagen, was ich nicht machen würde. Bei mir sind das eher Dinge, die ich mir nicht glauben würde, das fällt mir schwerer als Abgründe auszuloten. Ich habe zum Beispiel in „Das letzte Schweigen“ einen Pädophilen gespielt, der selbst zwei Kinder hat. Moralische Bewertung hat an der Stelle nichts verloren. Es geht um Demut dem Charakter gegenüber, dessen Bewertung oder Verurteilung wäre anmaßend. Es gilt zu zeigen: Wie kommt der Mensch dahin und wie kommt er da wieder raus. Das ist Teil unseres Berufes, solche Dinge auszuprobieren. Daher fällt mir keine Grenze ein.

Waren Sie eigentlich auf einer Schauspielschule?
Nein, der Beruf Schauspielerei hat sich für mich ergeben. Viele denken, ich käme von der Komödie, aber mein erster großer Kinofilm war „Das Experiment„. Ich bin an die richtigen Menschen geraten und habe mich wohl gefühlt. So kann ich in Welten schlüpfen, die mir sonst verschlossen bleiben würden, ich kann Charaktere auszuprobieren und mehrere Leben in einem Jahr leben. Diese intensive Erfahrung gibt es nur in diesem Beruf.

In Ihrer Biografie finden sich Widersprüche. Sie waren Punk und später Zeitsoldat. Hilft Ihnen die Schauspielerei beim Ausleben dieser Widersprüche?
Ich habe das nie als eine Zickzack-Biografie empfunden, für mich hat es sich immer nach dem geradesten Weg angefühlt. Ich mache immer Alles volle Pulle, ich fälle Entscheidungen nicht strategisch, sondern aus dem Bauch heraus. Damit liege ich für mich immer halbwegs richtig, da stehe ich hinter. Mich hat es zum Beispiel herausgefordert, als Punk zur Bundeswehr zu gehen. Alle haben darüber genörgelt, aber keiner von denen ist selber hingegangen. Ich wollte mir das verdammt noch mal ansehen. Anfangs wollte ich natürlich auch verweigern, aber das erschien mir zu einfach.

Die Fragen stellte Denis Demmerle

Das Interview erschien bereits beim Interview-Magazin planet-interview.de

Mann tut was Mann kannRegie: Marc Rothemund, Darsteller: Wotan Wilke Möhring, Oliver Korittke, Emilia Schüle, Karoline Schuch, Jasmin Gerat, Fahri Yardim, Jan Josef Liefers, Friederike Kempter, Noemi Besedes, Kinostart: 11. Oktober 2012

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