5. Unknown Pleasures im Babylon Mitte

CIA-Agenten und Skinny-Jeans


""The We And The I": Eine Reise im Bus. Foto Unknown Pleasures

""The We And The I": Eine Reise im Bus. Foto Unknown Pleasures

Es gibt in der hiesigen Berichterstattung über den amerikanischen Independent-Film nur eine goldene Regel: Liegt gerade keine Pressemitteilung über einen neuen Tarantino oder Gus van Sant-Streifen im Postfach, gilt das Genre als tot. Wird dann das Debüt irgendeines Filmemachers gesichtet, der nicht dem alten Klischee des Sprüche klopfenden, Sympathie hebenden Auftragskillers oder des dürren, unsicheren Skinny-Jeans tragenden Eigenbrötlers entspricht, ist er beinahe per se der Retter des unabhängigen Kinos. Sicherlich nicht wenige Filme aus Übersee funktionieren nach dem Prinzip: Überall, wo ich nicht bin, ist es besser. Aber ich bin immer da und zur selben Zeit nirgendwo. Eigentlich ist es unmöglich zu wissen, was ich bin, da ich alle Hände voll damit zu tun habe, nicht so zu werden wie meine Eltern. Selbst diese Bestimmung ex negativo haut nur so bedingt hin, da mir diese Menschen als Zentrum meiner Eigenheit entweder derartig fern oder so nah erscheinen, dass ich sie einfach nicht loswerden kann. So bleiben mir die Möglichkeiten Junkie, Amokläufer oder Star-DJ zu werden. Sollte das nicht klappen, feiere ich einfach das Falsche im Falschen. Diese Jedermanns-Odysseen formierten sich schon vor geraumer Zeit zu einer eigenen Bewegung.

Bis heute stehen traditionell männliche Probanden im Zentrum solcher Geschichten und damit automatisch im Vergleich zu den Ikonen ihrer eigenen Genre-Familie, die als Mitglieder Mike Nichols‘ „Reifeprüfung„, Peter Bogdanovichs „Die letzte Vorstellung„, Adam Greens „Spiral“ oder Whit Stillmans „Metropolitan“ vorweisen kann. Vom 1.-16. Januar wird das Kino Babylon diesen Unknown Pleasures ihre volle Aufmerksamkeit schenken. Whit Stillmann bekommt sogar seine eigene kleine Retrospektive, in der u.a. die gesamte Bourgeois-Retrospektive mit den Titeln „Metropolitan„, „Barcelona“ und „the last days of disco“ laufen. Gezeigt wird auch Katryn Bigelows neuer Streifen „Zero Dark Thirty„. Wohlgemerkt als Preview vor seinem regulären Start (10. Januar) in den deutschen Kinos.

Genau genommen existiert die Sphere des Politischen im us-amerikanischen Independentfilm meistens nur auf der Metaebene. Sie ist nivelliert, verschüttet, dumpf und trüb. Man kann sie übersehen wenn man will. Helden sind dort meistens reine Opfer ihrer Verhältnisse, die allerlei skurrile Verwirrungen über sich ergehen lassen müssen, um meistens daraus gar nichts zu lernen. Anders ist es hier. Die CIA-Analystin Maya sucht nach den Anschlägen von 9/11 nach Osama bin Laden. Das klingt zu sehr nach einem Denzel Washington Vehikel, großen Verschwörungen und Männern in grauen Anzügen, um tatsächlich gut zu werden, doch es gelingt, indem das scheinbar Allmächtige eines Nachrichtendienstes dekonstruiert wird auf das, was die meisten Geheimagenten heutzutage wohl sind – Bürokraten, Technokraten und Analysten. Eröffnet wird das Festial am 1. Januar durch Michel Gondrys „The We And The I“ und einer Reise in einem Bus, in dem man als Zuschauer auf Menschen trifft, deren soziale Codes einem verborgen scheinen, die einem  fremd und dank medialer Prägung wohlbekannt erscheinen. Die menschlichen Grenzziehungen, das Paradoxe zwischen öffentlichem und privatem Begehren, löst Gondry mit den für ihn typischen und fantastischen Feinheiten auf.

In Zeiten, in den der gute Geschmack allzu elitär herumdümpelt oder als brauchbare Marketing-Strategie benutzt wird, in Zeiten wie diesen darf man dankbar sein für einen Festivalbetreiber, der nicht allzu selbstdarstellerisch die Kultur des Abendlandes retten will. Mit Hannes Brühwiler (hier unser Interview mit dem Festivalleiter) ist eine solche Person vorhanden und sein Baby Unknown Pleasures sollte jeden Filminteressierten zum Backenkneifen einladen.

Joris J.

Unknown Pleasures 1. bis 16 Januar 2013, Babylon Mitte, www.unknownpleasures.de