Rückblick auf die 27. Teddy Awards
Pathos mit Weitsicht

Foto: Alina Impe
Den Preis für den besten Dokumentar- und Essayfilm trägt „Bambi“ (Sébastien Lifshitz) davon, bevor mit Boris Dittrich von Human Rights Watch der Teddy Award die nächste dramatische und leider auch notwendige Ölung bekommt. Die Suizidrate bei LGBT’s ist extrem hoch, Menschen in Kamerun werden wegen SMS mit homosexuellen Inhalten für drei Jahre ins Gefängnis gesperrt, weiß Dittrich zu berichten, der eigentlich auch niemanden deprimieren will. Sein Schlusssatz „We can make a better future!“ soll positive Schwingungen und amerikanischen Optimismus verbreiten, die meisten Zuschauer begnügen sich mit einem leicht beschämten Klatschen. Trotz aller Bemühungen um Gleichheit und Toleranz lassen sich Mentalitätsunterschiede eben doch nicht so leicht ausblenden.
Bei Rufus Wainwright ist man sich dann wieder einig, ekstatischer Jubel breitet sich aus. Kein anderer kriegt heute so viel warmes Feedback von einem bezuckerten Publikum wie dieser Mann, der scheinbar keine Silbentrennung beherrscht und erst einmal Hallelujah wie eine kaugummikauende Ziege vergewaltigt. Jeff Buckley rotiert im Grab, Leonard Cohen bluten die Ohren. Aber Wainwright hat für alle beleidigten Leberwürste noch einen weiteren Song in petto und für seine Interpretation von Hildegard Knefs Roten Rosen muss man ihn dann doch wieder liebhaben.
Nachdem „In the Name of“ auch noch den Preis für den besten Spielfilm mit nach Hause nehmen darf, ist Schropp am Ende mit seinem Programm und der Reihe-45-Bann endlich gebrochen. Gewinnerfotos werden gemacht, die Bar füllt sich mit durstigen Menschen, Raucher werden vor die Tür geschickt. Eigentlich nicht gerade fair bei einer Veranstaltung, wo in jedem dritten Satz das Wort Toleranz fällt. Aber immerhin muss Rufus Wainwright wie alle anderen Normalsterblichen auch draußen rauchen. Das spricht zumindest für Gleichbehandlung. Für die musikalische Untermalung ist die Drag Queen Gloria Viagra zuständig, die mit sorgfältig gezüchtetem Pornobalken im Gesicht und Dancehits auf den Plattentellern weiß, wie man das Publikum bei Laune hält. Dabei ist das vielleicht nicht mal Glorias Verdienst allein. Auf einer stockigen Heten-Gala wäre spätestens jetzt für die meisten Gäste Feierabend. Für die LGBT’s fängt die Nacht erst an.
Alina Impe