Filme von Terrence Malick im Kino Arsenal
Wie kam das Böse in die Welt?
1998 kehrt Malick mit seiner dritten Regiearbeit, dem Kriegsfilm „Der schmale Grat„, in dem er allerhand Hollywood-Stars und auch vielversprechende Neulinge versammelt, auf die große Leinwand zurück. In diesem Film befasst sich Malick mit dem Irrsinn von Krieg und fragt viel konkreter als in seinen ersten beiden Filmen nach dem Ursprung des Bösen. Basierend auf James Jones autobiografisch angehauchten Kriegsroman von 1962 inszeniert Malick den Kampf einer US-Schützenkompanie gegen japanische Truppen auf der Pazifikinsel Guadalcanal im Jahr 1942. Nicht wissend, welche Kriegshölle dort auf sie wartet, fallen die jungen Männer in das Südsee-Paradies ein, dass zuvor von Malick in geradezu traumgleichen Bildern paradiesisch eingefangen wird. Doch bald schon bekommen die Soldaten zu spüren, dass das Leben des Einzelnen hier im augenscheinlichen Paradies nichts zählt und es vor allem darum geht, wer der Stärkere, der Kaltblütigere ist.
Die blutigen Gefechte im unwegsamen Regenwald fordern schnell ihre Opfer. Erneut installiert Malick eine Off-Erzählstimme. Wobei er dieses Mal acht verschiedene Protagonisten ihre Gedankenwelt preisgeben lässt. Statt einen wie es für das Genre üblich ist unverkennbaren Helden auszumachen, lässt er die zumeist noch jugendhaften Soldaten in inneren Monologen über Tod und Zerstörung nachdenken. Dazwischen schaltet Malick Naturaufnahmen von überwältigender Schönheit. Fragt einer der jungen Männer im Anblick der friedlichen Naturidylle zunächst noch danach, wie sich das Böse überhaupt in die Welt stehlen konnte, konstatiert ein anderer inmitten des kriegerisch-blutigen Vormarschs der Kompanie fast schon ernüchtert: „Durch Krieg werden Menschen nicht edler. Er macht sie zu Hunden, vergiftet die Seele.“ Der Wunsch eines Soldaten am Ende des Films, für seine Geliebte, die er zurückgelassen hat in der Heimat, als der Mensch zurückzukehren, der er vor der Kriegshölle war, wirkt da fast schon kindlich naiv.
In „The New World“ inszeniert Malick die Geschichte der Indianerprinzessin Pocahontas (Q’Orianka Kilcher) und ihrer Liebe zu dem englischen Abenteurer John Smith (Colin Farrell) als Sinnbild für das „Drama der Welt und der Zivilisation“. Im frühen 17. Jahrhundert machen sich britische Entdecker auf die Reise nach Nordamerika und errichten in Virginia eine Kolonie. Smith wird ausgeschickt, um mit den Ureinwohner in Kontakt zu treten und gerät dabei in Gefangenschaft. Einer Hinrichtung entgeht er, weil sich die Lieblingstochter des Häuptlings für sein Leben einsetzt. Während das Aufeinandertreffen der europäischen und amerikanisch-indianischen Kultur zunächst von seichter Harmonie geprägt ist, rücken im Verlauf des Filmes und mit der penetranten Niederlassung der Engländer in der „Neuen Welt“ unüberbrückbare Gegensätzlichkeiten zwischen den beiden Kulturen in den Vordergrund.
In seinem fünften, ebenso bildgewaltigen Film „The Tree Of Life“ spürt Malick im Kosmos der Familie existentiellen Fragen nach. Der Film kreist um eine gottesfürchtige, amerikanische Mittelstandsfamilie in den fünfziger Jahren. Der Vater (Brad Pitt) ist Geschäftsmann und autoritärer Patriarch, der seinen drei Söhnen streng und distanziert begegnet. Gleich zu Beginn des Films erfahren die Eltern vom Tod einer ihrer Söhne. Welcher es ist, erfahren wir vorerst nicht. Malick entzieht sich in diesem Film sämtlicher erzählerischer Konventionen und vertieft sich gänzlich in die Verbildlichung der Gefühlswelten seiner Figuren. Malicks Film kommt mit einer fast schon bedrückenden Sprachlosigkeit aus. Stattdessen verbindet er Erinnerungen an eine Kindheit mit fantastischen Aufnahmen von Galaxien, zeigt wunderschöne, handlungsbefreite Aufnahmen von Flussläufen, Vulkanausbrüchen und landschaftlichen Weiten und lässt die Kamera gefühlt minutenlang auf den Gesichtern und Körpern seiner Figuren verharren. Die Bilder werden begleitet von geflüsterten Monologen, die über das Leben und den Tod reflektieren. „The Tree of Life“ ist Malicks bislang eigenartigster Film, der die Zuschauer spaltet und einen mit gemischten Gefühlen und vielen offenen Fragen aus dem Kino entlässt.
Vom 12. bis zum 31. Mai sind Malicks fünf Regiearbeiten im Kino Arsenal zu sehen. Ergänzend dazu zeigt das Arsenal den Dokumentarfilm „Rosy-Fingered Dawn: A Film On Terrence Malick“ von Luciano Barcaroli, Carlo Hintermann, Gerardo Panichi, Daniele Villa, die sich auf Spurensuche ins Malicksche Universum begeben. Malick kommt zwar nicht selbst zu Wort, dafür aber äußern sich zahlreiche Weggefährten wie Martin Sheen, Sissy Spacek, Sam Shepard oder Ennio Morricone über die Arbeit mit dem Filmemacher. Heute Abend wird die Reihe mit der Buchpräsentation eröffnet.
Text: Eileen Reukauf
Die Filme von Terrence Malick, 12. bis 31. Mai, Kino Arsenal, Programm unter www.arsenal-berlin.de