Wider der falschen Selbstherrlichkeit: Ulrich Seidls „Paradies-Trilogie“

Ulrich Seidls "Paradies-Trilogie"


 Melanie verliebt sich im Camp in ihren Arzt. Foto: Ulrich Seidl Film Produktion GmbH

Melanie verliebt sich im Camp in ihren Arzt. Foto: Ulrich Seidl Film Produktion GmbH

Österreich – neben Deutschland wohl das einzige Land, das sich gerne mit dem Wort Sonderfall rühmt. Als 1828 Chales Sealsfields „Austria as it is“ erschien, wurde dieser Bericht über die Zustände des Bergvolkes im gesamten Deutschen Bund verboten. Mittlerweile ist er ein Klassiker österreichischer Berichterstattung. Ein Land das man weniger für seine Leistungen, als viel mehr für seine Unterlassungen bewundern kann. Diese Unterlassungen beruhen nicht auf vernünftiger Zurückhaltung, sondern auf einer gegenseitigen Blockade der jeweils Andersmeinenden. Hier jedoch zeigt sich die besondere Stärke Österreichs. Sie beruht auf einer langen Tradition des Verhinderns. Inhaltlich gesprochen handelt es sich um das Kunststück, das Unvereinbare durch eine ausgehandelte Verleugnung der Probleme in einen Konsens umzudeuten oder ihn wenigstens als solchen auszugeben. Ulrich Seidl besitzt die österreichische Staatsbürgerschaft, aber er ist nicht gelernter Österreicher. Der gelernte Österreicher arbeitet und lebt am liebsten mit seiner ressentimentgeladenen Unvernunft und ist somit den Fallstricken der Vernunft weniger ausgesetzt.

Damit ist er gewohnt, die Vernunft der Anderen zu misstrauen und das, obwohl er meistens noch nicht einmal sagen kann warum. Diese reflexive Taubheit kommt Ulrich Seidl stets entgegen. Erspart sie ihm doch das Ausarbeiten eines Drehbuchs. Seine Drehbücher sind immer nur Ideen, die einmal angefilmt, von alleine laufen. So begleitet er in seiner Paradies-Triologie die Frauen Teresa, Anna Maria und Melanie auf der Suche nach Glück und Geborgenheit. Alle drei scheitern. Teresa sucht in „Paradies: Liebe“ im Sexurlaub in Mombasa nach der großen Liebe. Ihre Tochter Melanie will in „Paradies: Hoffnung“ in einem niederösterreichischen Diätlager ihr Übergewicht bekämpfen und ihre Schwester Anna Maria ist in „Paradies: Glaube“ auf katholischer Missionstour. Dabei stellt Seidl das aus, was gerne verdrängt wird, isoliert die Einzelsphären in drei Teile, wobei die drei Teile ihre Tragik und Größe damit erreichen, dass sie für sich genommen immer so tun, als ob der Nomos des Erfolges unabhängig von seinen gesellschaftlichen Bedingungen ungebrochen vorrausgesetzt werden kann.

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