Teil 1: Wir blicken zurück auf das Jahr 2013

Jahresbilanz 2013


WER SICH NICHT FÜRCHTET, HAT MEHR ZEIT ZUM SPIELEN von Verena Manhart

Eingerahmt wird mein Filmjahr 2013 von Bilbo Beutlin, diesem pelzfüßigen Hobbit, der sein beschauliches Leben unfreiwillig gegen ein großes Abenteuer eintauscht. „Die unerwartete Reise“ war der erste Film, den ich Anfang Januar sah, der zweite Teil „Smaugs Einöde“ wird vermutlich mein letzter Kinobesuch 2013 werden. Und obwohl ein Blockbuster so wenig repräsentativ für mein restliches Filmjahr ist, steht dieser doch für ein großes Thema, das in meinem persönlichen Kino Best of 2013 das wohl wichtigste ist: Furchtlosigkeit.

Furchtlos fand ich die Entscheidung der Berlinale, dem indigen Filmen eine eigene Sonderreihe zu widmen, die in den kommenden Jahren sicher noch für große Leinwandmomente sorgen wird. So wie dieses Jahr Warwick Thorntons Samson & Delilah über zwei Aborigines und ihre Suche nach Glück. Ebenfalls ziemlich mutig kam mir Ramon Zürchers Das merkwürdige Kätzchen vor. In diesem Film passiert eigentlich gar nichts und doch ist er sensationell. Das mich bei der Berlinale nicht noch mehr Filme so packten, kann an einer Sache gelegen haben: meinem Interview mit Rooney Mara und J-j-j-ude Law. Ein bisschen mehr Furchtlosigkeit hätte da nicht geschadet.

Im April beeindruckte mich Lehmann (Robert Gwisdek), der gegen alle Widrigkeiten seine Vision durchsetzen will: Kleists Novelle „Martin Kohlhaas“ opulent verfilmen. Sein Kampf mit beschränkten Mitteln ist so beeindruckend fantasievoll, dass Aron Lehmanns Kohlhaas oder Die Verhältnismäßigkeit der Mittel“ bei achtung berlin im April für einen meiner cineastischen Höhepunkt sorgte. Im Sommer geschah nicht viel auf der Leinwand. Oder ich hab nicht richtig hingesehen. Ach doch, ein Überraschungskick war in jedem Fall Rush, in dessen Pressevorführung ich ohne viel Erwartungen gegangen bin. Es war es ein heißer Junitag und das Kino verlockend klimatisiert. Und dann drückte mich die Geschichte der furchtlosen Rennbahnraser James Hunt und Niki Lauda (Daniel Brühl) doch in den Sessel. Ob Herrn Brühl für seine Lauda-Verkörperung nicht noch eine internationale Auszeichnung zuteilwird…abwarten.

Im Herbst überschlugen sich die filmischen Highlights, was der extremen Festivaldichte in dieser Zeit geschuldet ist. Vor allem mein Lieblingsfestival KUKI und das Spanische Filmfest hinterließen bleibenden Eindruck. Da war die Geschichte von Albert Casals, der trotz seines Rollstuhl-Handicaps unerschrocken die Welt erobert, mit gerade einmal 20 Euro Startkapital, dafür aber einer riesigen Portion Lebensfreude im Gepäck. „Mon Petit“ ist meine Lieblingsdoku 2013. Bei den spanischen Kurzfilmen hielt mich „Arconada“ ganz gefangen. Besonders die toll inszenierten Aufnahmen, in denen der kleine Hauptdarsteller mit nur einem Augenaufschlag Zerbrechlichkeit und Stärke transportiert, verschlugen mir den Atem.

Ja, und dann sind da diese kurzen Kinderfilme, die das KUKI-Team jährlich mit geschultem Auge und großem Herzen auswählt. Besonders im Gedächtnis geblieben ist mir Moritz und der Waldschrat, nicht nur deshalb, weil ich Regisseur Bryn Chainey zum Interview treffen durfte. Mit märchenhaftem Gruselfaktor erzählt der Film eine Geschichte von Mut und Kraft, die man zum Erwachsenwerden braucht. Fast schon zu viel Mut hat dagegen die kleine Carola, die in „Gute Nacht, Carola“ ein Monster unter ihrem Bett findet. Was jedem Kind – und auch Erwachsenen – den Angstschweiß auf die Stirn treiben würde, lässt Carola völlig kalt. Sie ist sich sicher: „Wer sich nicht fürchtet, hat mehr Zeit zum Spielen!“ Recht hat sie.

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