Berlinale 2014 – Die Filmtipps der Redaktion


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Snowpiercer“ von Bong Joon-ho
Eine neue Eiszeit hat die Menschheit fast gänzlich ausgerottet. Nur ein Zug, gleich einer Arche, bewegt sich durch die weiße Landschaft. In ihm befindet sich das letzte Restchen Menschheit und mit ihr das, was die Gesellschaften seit Urzeiten prägt: soziale Ordnung. In „Snowpiercer“ reisen die Menschen nicht in unterschiedlichen Klassen, sie ist der Status quo – bis sich die dritte Klasse, angeführt vom Hollywood-Schauspieler Chris Evans, auflehnt und gegen das Bestehende erhebt. Die Revolte beginnt am Ende des Zuges und sie arbeitet sich in blutigen, abstrakten wie komischen 126 Minuten zur Spitze des Zuges vor. „Snowpiercer“ kombiniert ästhetisches Genrekino mit Blockbuster-Ansprüchen und verliert sich dabei ab und an in pseudophilosophischen Diskursen, bleibt in seinem Unterhaltungswert aber weit über dem üblichen Hollywood-Maßstab.
Termine: Fr 07.02. 18:30, CineStar 8 (E); Sa 08.02. 22:15, Cubix 9 (E)

The Kidnapping of Michel Houellebecq“ von Guillaume Nicloux
„Ich bin nicht tolerant!“ entfährt es Michel Houellebecq, der sich in „The Kidnapping of Michel Houellebecq“ von Guillaume Nicloux selbst spielt, in einem Wutausbruch. Ganoven reißen den Star-Autor aus seinem Alltag und verschleppen ihn zu einem Trailerpark im Pariser Umland, um dort Lösegeld zu erpressen. Mit der Besetzung von Houellebecq durch Houellebecq gelingt Guillaume Nicloux (mit „Die Nonne“ im Wettbewerb der Berlinale 2013) ein Geniestreich. Der Skandalautor dekonstruiert seine Figur im Film, wie er es mit den nach sich selbst benannten Figuren seiner Bücher genüsslich vormacht. Es entsteht ein kluges, pointenreiches Zerrbild einer Entführung, das im besten Houellebecqschen Sinn gleichermaßen subjektiv beschreibt, Raum für Interpretationen öffnet und klug unterhält.
Termine: Sa 08.02. 21:30 Delphi Filmpalast, So 09.02. 19:30 CinemaxX 4, Di 11.02. 11:00 CineStar 8, So 16.02. 16:30 CineStar 8

Velvet Terrorists“ von Ivan Ostrochovsky, Pavol Pekarcik und Peter Kerekes
Karge tschechische Provinzlandschaften treffen auf nostalgische Sprengstoffexperimente, treffen auf unbeholfene Liebesbeziehungen, treffen auf den Facettenreichtum des politischen Widerstands. Das Regietrio Ivan Ostrochovsky, Pavol Pekarcik und Peter Kerekes begleitet im halbdokumentarischen Episodenfilm „Velvet Terrorists“ drei ehemalige Kleinterroristen auf der Suche nach Halt, nach einer praktikablen Verschmelzung von Vergangenheit und Gegenwart. Die drei saßen für ihren (versuchten) Widerstand gegen die Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei im Gefängnis, sie sind alles andere als Wendegewinner und sie können mit Sprengstoff deutlich besser umgehen, als mit dem anderen Geschlecht. So fühlt sich der Zuschauer letztendlich um eine schwerwiegende Erkenntnis bereichert: Die Liebe ist mindestens so kompliziert wie der bewaffnete Widerstand.
Termine: Mi 12.02. 21:30, Delphi Filmpalast (E); Do 13.02. 11:00, CineStar 8 (E), Fr 14.02. 15:00 
Cubix 7 (E); Sa 15.02. 19:15 CineStar 8 (E)

Iranien“ von Mehran Tamadon
Gegen bornierte Dogmatiker gibt es keine Schmerzmittel. Da helfen nur Geduld und Spucke und ein äußerst dickes Fell, um den ideologischen Rabulisten zu begegnen. Regisseur Mehran Tamadon probt seit Jahren im Iran den Dialog zwischen Religion und säkularer Welt. In seinem aktuellen Film ringt er um den Entwurf eines modernen iranischen Staates. Allein stellt er sich einer Übermacht entgegen und kämpft für seine Ideale wie ein moderner Don Quijote gegen verstaubte aber gut geölte Windmühlen. Beeindruckendes Zeugnis eines demokratiesuchenden Idealisten.
Termine: So 9.2. 14:30, Kino Arsenal 1 (E) ; Mo 10.2. 22 :00, CinemaxX 4 (E); Do 13.2. 18 :45, Delphi Filmpalast (E); Sa 15.2. 11 :00, CineStar 8 (E)

Weiterlesen: Einblicke in die Sektion Generation der 64. Berlinale

Non-fiction Diary“ von Jung Yoon-suk
„We hate the rich“, so der Slogan einer Gruppe von Serienmördern, die in den 90er Jahren in Südkorea zahlreiche Menschen kidnappte, tötete und zu Teilen sogar aß. Regisseur Jung Yoon-suk begibt sich in seinem Dokumentarfilm auf die Suche nach den Tätern, bleibt aber nicht bei diesem Fall, sondern zeichnet in „Non-fiction Diary“ das Bild einer Gesellschaft nach, die in den 80er und 90er Jahren von der Industrialisierung und dem Kapitalismus förmlich überrollt und dabei in ihren moralischen Grundfesten erschüttert wurde.
Termine: So 09.02. 20:00, Kino Arsenal 1 (E); Mo 10.02. 15:00, Cubix 7 (E); Mi 12.02. 21:45 
CinemaxX 4 (E); Fr 14.02. 11:00, CineStar 8 (E)

Que ta joie demeure“ von Denis Côté
Wie fühlt sich die Erkundung einer Werkstätte an? Was sieht der Mensch beim Betrachten von Arbeitsprozessen? Denis Côtés („Bestiaire„) neuer Film ist keine „typische“ Dokumentation, die das Zusammenspiel von Mensch und Maschine erörtert. Sein Film ist eine Kollage aus Prozessen, Szenen, Abfolgen und Wiederholungen, in die der Regisseur Protagonisten gleich einem Theaterstück stellt, und die in Kontrast treten zu den Prinzipien des Alltäglichen. Letztlich ist „Que ta joie demeure“ so ein einziges Spiel um Fragen und Momente und menschliche Realitäten.
Termine: Fr 07.02. 19:30, CinemaxX 4 (E); Sa 08.02. 19:30, CineStar IMAX (E); Mo 10.02. 11:00 CineStar 8 (E); Do 13.02. 22:00, Zoo Palast 2 (E)

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