Interview mit Antje Schneider und Carsten Waldbauer zu „Die schöne Krista“

Krista hat 16.000 Schwestern



Der eigene Kosmos gipfelt in einer ganz markanten wie unterhaltsamen Episode: Sie sind mit den Seegers nach Kanada gereist. Dort stehen die leistungsstärksten Bullen, deren Sperma in die ganze Welt verschickt wird.
Carsten Waldbauer:
Das war absolut schräg und hat es wirklich auf die Spitze getrieben. Um ehrlich zu sein, schweift es ein bisschen von unserer Geschichte ab. Aber: Der Vater von Krista ist Kanadier, der kam als Spermaröhrchen aus Kanada tiefgefroren nach Europa. Die Elite der Holstein-Zucht liegt dort, da fahren die Bauern gerne hin und gucken sich die schönsten, größten und besten an. So eine Reise wollten wir begleiten. Aber was wir erlebten, in dieser Besamungsstation etwa, das war wie in einem Science-Fiction-Film. Die begleitenden Ehefrauen nutzen unter Umständen ein Kulturprogramm und besuchen die Niagarafälle. Das interessiert die Bauern nicht. Die fahren lieber in irgendeinen Stall, gucken sich sechs Töchter von einem Bullen an und wollen wissen wie die Euter aussehen.
Schneider: Wir haben erfahren, dass Krista 16.000 Schwestern hat. Diese Auslese ist für die Bauern das Nonplusultra. Im Prinzip reisen die 14 Tage durch Kanada und gucken sich eigentlich nur die Kuh-Töchter an und wollen das Sperma dann für ihre Irma oder Katrin.

Der Film schaut sich an, wie ein unterhaltsamer Heimatfilm mit Tiefgang. Der Kampf der Familie ums tägliche Überleben wechselt sich ab mit komischen Szenen, etwa wenn die Kamera zwischen der ernsten Miene des Kampfrichters und Kristas prallem Euter hin und her wandert. Was war Ihre Absicht?
Schneider:
Heimatfilm ist tatsächlich schön, weil er eine Art Identifikation schafft. Uns war es wichtig, eine Welt zu erzählen, die auch zu großen Teilen für einen Außenstehenden komplett absurd ist.
Waldbauer: Wir haben in unseren Recherchen gemerkt, dass wir eigentlich über die Lebensmittelskandale hinaus nichts über die Landwirtschaft wissen. Wir wissen nichts über die Motivation oder die Dinge, die auf so einem Bauernhof geschehen. Tausende Höfe müssen jedes Jahr schließen. Vor dem Hintergrund wollten wir so einen Alltag am Hof zeigen, ohne aber mit einem Kommentar oder erhobenen Zeigefinger zu erklären, wie schlimm das alles doch ist. Assoziationen sollen beim Zuschauer selbst passieren.

Es war sicher schwierig, diesen Film zu finanzieren. Bei jedem hängen die Bilder von eingängigen tierischen TV-Formaten im Kopf. Wie sind Sie diese Vorurteile losgeworden?
Schneider:
Am Anfang hatten wir sehr mit diesen Bildern im Kopf zu kämpfen. Es hat lange gedauert, bis sich überhaupt jemand darauf eingelassen hat und sich vorstellen konnte, dass daraus ein Dokumentar- und Kinofilm werden kann.
Waldbauer: Wir haben versucht eine Bildsprache zu finden, die sich ein bisschen von der normalen Fernsehdokumentationen abhebt, die viele vermuten, wenn sie das Thema schwarz-weiße Kuh hören. Wir haben versucht eine filmische Bildsprache zu finden, die aus diesem dokumentarischen Stoff auch einen Filmstoff macht. Da haben wir lange daran gearbeitet und immer wieder das Material verworfen. Letztlich waren es vier Jahre Drehzeit und anderthalb Jahre Postproduktion.

Das hat sich gelohnt. Während wir uns hier unterhalten, läuft der Film in der Vorauswahl zum Deutschen Filmpreis. Wer hätte das gedacht…
Schneider:
Das war für uns ein kleiner Erfolg, dass wir es mit einer Kuh, die so einen langen Weg genommen hat und wo sich jeder am Anfang fragt, was willst du denn 90 Minuten über eine Kuh erzählen, in die Vorauswahl für den Deutschen Filmpreis schaffen. Daran haben wir nie geglaubt und Krista schon gleich gar nicht.

Die Fragen stellte Eileen Reukauf.

Der Dokumentarfilm „Die schöne Krista“ von Antje Schneider und Carsten Waldbauer läuft ab 20. März 2014 im Kino.

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