Interview mit Filmemacherin Yael Reuveny zu „Schnee von gestern“

Eine ganz spezielle Anziehung zwischen Israelis und Deutschen


"Schnee von gestern" von Regisseurin Yael Reuveny überzeugte beim Dok Leipzig und dem Film Festival Cottbus. (c) Dok Leipzig

„Schnee von gestern“ von Regisseurin Yael Reuveny überzeugte beim Dok Leipzig und dem Film Festival Cottbus. (c) Dok Leipzig

Du lebst seit einigen Jahren in Deutschland. Wie waren denn deine Erfahrungen?
Das erste Jahr war schrecklich. Ich habe furchtbare Witze darüber gemacht. Ich habe jeden hier in Verlegenheit gebracht, weil ich es nicht verstanden habe. Es ist eine sehr inspirierende, aber auch sehr verwirrende Begegnung, wenn Israelis in Deutschland ankommen. Ich habe viele Phasen durchgemacht und entdecke das auch in Menschen um mich herum immer wieder. Man fragt sich selbst: Was will ich von dir? Will ich, dass du dich entschuldigst? Will ich die Geschichte deines Großvaters hören? Will ich mit dir zusammen Witze darüber machen? Will ich bei jeder älteren Person anfangen zu grübeln? Das will ich alles nicht. Aber was will ich dann?

Wenn man in Israel ist, ist es nichts ungewöhnliches, solche Witze zu hören…
Man muss aber verstehen, dass es etwas komplett anderes ist, wenn man diese Witze hier in Deutschland erzählt. Die Deutschen sind in einer verzwickten Position. Darum beneide ich sie nicht. Im Jahre 2013 ist es irgendwie einfacher an meiner Stelle zu sein. Aber ich habe Zeit gebraucht, um das zu erkennen, also habe ich diese Witze erzählt. Auch weil ich das Gefühl hatte, ich habe das Recht dazu, ein gewisses Unbehagen bei den Menschen um mich herum zu erzeugen. Wenn ich jetzt mitbekomme, dass Israelis das machen, verdrehe ich oft die Augen. Etwa wenn man hier Wasser mit Gas bestellt und jemand sagt: In Deutschland kommt wohl alles mit Gas, denke ich: Es ist nur Wasser, trink es doch einfach! Ich musste damit erst irgendwie klarkommen und selbst erwachsener werden.

Glaubst du, dass sich deine Familie mit dem Thema anders auseinander gesetzt hat, weil eine Kamera anwesend war?
Ja. Eine Kamera ist manchmal wie ein Röntgengerät. Leute kommen auf mich zu und sagen: Wow, wir haben nie solche tiefgründigen Gespräche in unserer Familie. Aber die haben wir auch nicht. Wenn du eine Kamera irgendwo hinstellst, hast du eher das Recht, Fragen zu stellen. Fragen, wie: Mama, hat deine Mutter dich geliebt?, die man nicht am Abendbrottisch stellen würde. Es ist also kein Film, in dem die Kamera wie eine Fliege an der Wand ist. Sie nimmt eine zentrale Rolle ein. Der Film ist ja auch eine Reise, die ich als Filmemacherin gemacht habe. Ich glaube nicht, dass ich ohne die Kamera so weit gegangen wäre. Die Kamera hat die Realität meiner Familie auf jeden Fall verändert.

Der Film wurde bereits in Israel gezeigt. Wie waren die Reaktionen dort?
In Israel haben die Leute sehr positiv, sehr emotional reagiert, besonders die Generation meiner Eltern. Ich habe viele E-Mails und Kommentare auf Facebook erhalten. Viele wollen mir auch ihre Geschichte erzählen. Der Film verändert viele.

Die Fragen stellte Katharina Tress.
Das Interview erschien bereits im DOK Blog beim Stadtmagazin Kreuzer.
Eine Kritik zur Doku „Schnee von gestern“ findet ihr bei den Kollegen von kino-zeit.de.

1 2