9. Xposed im Moviemento
Je gewagter, desto besser
Von 29. Mai bis 1. Juni gastiert das XPOSED International Queer Film Festival mit seiner neunten Ausgabe im Kreuzberger Kino Moviemento. Wir haben mit Programmleiter Michael Stütz über Conchita Wurst, die eigenwilligen Filme der Gunvor Nelson, der eine Hommage gewidmet ist, die Festival-Kuration und Berlin gesprochen.
Dank der österreichischen Kunstfigur Conchita Wurst diskutiert gerade sogar die Boulevardpresse über Identität, Geschlecht und Sexualität. Wie nehmt ihr diesen medialen Fokus wahr?
Michael Stütz: Tja, die „Wurstmania“, wie österreichische Medien verlautbaren, hat einen unvorhersehbaren Hype erreicht. Der Sieg von Conchita Wurst hat sicherlich ein Zeichen gesetzt – und das nicht nur in Westeuropa. Bleibt abzuwarten, ob diese Woge an Sympathie und Toleranz nachhaltig etwas bewirken kann in den Köpfen der Menschen. Hoffen wir das mal. Bei all den positiven Reaktionen wissen wir aber auch um die ganzen negativen und hasserfüllten Kommentare – und die kommen nicht nur von Berliner Gangsta-Rappern und ihrer Gefolgschaft, sondern auch von Journalisten und Politikern. XPOSED hat bereits letztes Jahr mit seinem Österreich-Fokus Fragen zum Thema Körperlichkeit, Identität und Sexualität abseits der Norm gestellt. Das waren Arbeiten, die künstlerisch viel radikaler vorgingen und eine vollkommen andere Reichweite hatten. Wurst hat es mit ihrem Sieg geschafft, eine Debatte im medialen Mainstream und Alltagsgeschäft loszutreten, die bisher höchstens an den Rändern der Gesellschaft und in wissenschaftlichen Kreisen präsent war. Das hat es so zuvor nicht gegeben, schon gar nicht mit so einem großen Zuspruch.
Findet sich dazu etwas in eurem Programm?
Wir widmen uns dem Thema der Transformation von Körpern in unterschiedlichsten Facetten. Am Samstag, den 31.5. um 16 Uhr, findet in der Lounge des Moviementos eine Diskussionsrunde zum Thema „Body Politics: Transformation und Repräsentation von Weiblichkeit im Film“ mit Susanne Sachsse, J. Jackie Baier und weiteren interessanten Diskussionsteilnehmerinnen statt. Hier wird sicherlich über das Phänomen Conchita Wurst diskutiert werden.
Der hohe Norden, mit Werken von Island bis Dänemark, steht im Zentrum dieser neunten Ausgabe von Xposed. Was darf euer Publikum erwarten?
Der diesjährige Fokus ist enorm breit gefächert, was Inhalt und Form betrifft. Gerade das letztjährige Österreich-Programm war doch zum großen Teil sehr kohärent, was auf den nordischen Fokus nun nicht mehr ganz so zutrifft. Hier treffen unterschiedlichste Visionen aufeinander: Das klassische Erzählkino öffnet mit viel Feingefühl ungewöhnliche Perspektiven auf zwischenmenschliche und gesellschaftspolitische Befindlichkeiten. Die Experimentalfilme im Programm haben wiederum gar kein Interesse an konventionellen Erzählformen und stimulieren die Sinne mit anderen filmischen Mitteln. Körperlichkeit ist nicht nur Thema der bereits oben genannten Diskussionsrunde, sondern spiegelt sich auch traditionell in vielen Filmen im Programm wieder. Dabei haben wir stattliche 32 Filme von Regisseurinnen im Programm inklusive der Hommage an Gunvor Nelson. Der feministische Blick auf den weiblichen Körper ist also wieder stark vertreten im Programm. Es gibt viel zu entdecken an queeren Filmen, die das ganze Spektrum des Begriffs abdecken und ihn hoffentlich auch strapazieren.