Heiner Lauterbach über seinen Gangsterfilm „Harms“

Es gibt keinen Filmproduzenten, der genug Geld hat


Lauterbach spielt die Titelrolle "Harms", einen harten Knacki. Foto: Kinostar

Lauterbach realisierte „Harms“ gemeinsam mit Regisseur Müllerschön auch als Produzent. Ziel ist einem anderen deutschen Kino den Weg zu bereiten. Foto: Kinostar

Film entsteht in Deutschland in der Regel mit Fördergeld. Ihr Film ist ohne solche Zuwendung entstanden. Welche Schwierigkeiten entstehen dadurch?
Erstmal keine, man kann aber ohne Fördergelder weniger Schwierigkeiten aus dem Weg räumen. Wir hatten nicht nur kein Fördergeld, sondern auch keinen Verleih und keinen Sender. Wir hatten gar nix. Ich will zunächst von den positiven Aspekten reden, denn wir hatten auch keinen, der uns reinquatscht.

Passiert das zwangsläufig?
Man kann das Glück haben, tolle Redakteure oder Verleiher zu finden, die richtig viel Ahnung haben und zum Gesamtwerk beitragen, es kann aber auch anders aussehen. Wenn Nicki und ich morgens zum Dreh fuhren, wussten wir, wir machen nur das, was wir wollen. Das ist ein riesengroßer Luxus! Abgesehen davon glaubten wir nicht, einen Film dieses Genres finanziert zu bekommen. Thriller ist ein Genre, das in Deutschland vermeintlich nicht läuft. Das sagen Verleiher, Produzenten und Redakteure. Die Filmförderanstalten sagen, dass sie das Geld auch gleich in den Wind schießen können. Die wollen hochgradig künstlerische Filme oder solche, die hochgradig Erfolg versprechend sind. Ein solcher Film etabliert sich bei uns nur, wenn wie bei „Stereo“ mit Bleibtreu und Vogel bekannte Schauspieler mitmachen. Der Rest geht in den 400 Filmen, die jährlich in die Kinos kommen, unter.

Weiterlesen: Alina Impes Kritik „Auf Genrestreifzug mit Vogel & Bleibtreu“ zu „Stereo„.

Was treibt Sie einen solchen Film zu machen?
Wenn ich zehn Freunde frage, ob wir ins Kino gehen, sagen die super. Wenn ich denen einen deutschen Film vorschlage, sagen alle zehn: Nee, kein Bock. Das ist traurig, ist aber so. An dieser Schraube muss man mal drehen. Man muss den Weg gehen, auch wenn nicht immer alles Oscar-würdig ist. So entstehen andere Perspektiven und Möglichkeiten.

Kommt der Film ins Fernsehen?
Wir haben ihn schon an Sky und RTL verkauft. Wir haben „Harms“ den RTL-Oberen vorgeführt, alle waren da und der Chef sagt uns: Ich kann nur die ersten zehn Minuten sehen, dann muss ich los. Als Nicki und ich das hörten, waren wir schon bedient. Letztlich hat er zwischendurch kurz etwas in sein Handy getippt, sich nach dem Ende zu uns umgedreht und gesagt: „Dafür, dass ich für die letzten eineinhalb Stunden bezahlt werde, liebe ich meinen Beruf. Der Film hat mich richtig reingezogen. Eigentlich ist der überhaupt nichts für RTL – und doch denke ich, dass wir uns den leisten sollten.“ Die sind über ihren Schatten gesprungen und haben ihn gekauft. Ich hoffe, die zeigen ihn nicht sonntags. Das ist ein tödlicher Sendeplatz gegen Pilcher und Tatort. Dann lieber 22.15 Uhr und ungeschnitten. Das könnte ganz gut für den Film sein.

Zum sich verändernden Filmbusiness gehört auch die Vermarktung. Sie werben in Formaten wie „Circus HalliGalli“ um Aufmerksamkeit…
Das sind junge Leute, die nicht dumm sind und Humor haben. Das ist ein wesentlicher Pluspunkt. Das muss nicht immer mein Humor sein. Ich bin 61 Jahre alt. Es liegt in der Natur der Sache, dass ich nicht Durchdrehe, wenn ich die Sendung sehe. Aber: Ich kann damit leben. Sonst wäre ich nicht hingegangen. Der Flachs mit den Jungs ist okay für mich. Die Sendung war für mich wichtig, weil wir den Film bei jüngeren Leuten platzieren wollen. Die haben mich noch kurzfristig rein genommen, obwohl die Sendung schon voll war, weil ich gejammert habe.

Sie haben gleich zwei Autobiografien geschrieben. Die erste erschien 2006 und hieß „Nichts ausgelassen“, es folgte 2013 „Man lebt nur zweimal“. Teilen Sie Ihr Leben in diese beiden Abschnitte?
Ich hatte nicht vor eine zweite Biographie zu schreiben. Der Lübbe-Verlag ist an mich heran getreten, weil die spannend fanden, wie ich jetzt lebe. Ich empfand diesen zweiten Abschnitt weniger interessant als den ersten, weil einfach auch viel weniger passiert ist.

Was zeichnet „Man lebt nur zweimal“ aus?
Eine Kernbotschaft dieser Biographie ist: Es ist nie zu spät. Ich bin nicht missionarisch unterwegs, aber wenn ich der Allgemeinheit etwas von mir mitgeben wollte, ist es diese Aussage. Wenn jemand einen schlechten, chaotischen oder ungesunden Lebenswandel hat, am Boden zerstört ist, vielleicht sogar süchtig ist, dem zeigt eine Person wie ich, die wirklich alles erlebt hat, dass es nie zu spät ist. Es ist unglaublich, was der Körper imstande ist, wegzustecken. Meine Blutwerte waren schlimm, die sind jetzt bombastisch. Es war mir ein ehrliches und offenes Bedürfnis, das zu verbreiten.

Fällt Ihnen das Schreiben leicht?
Ich werde eines Tages einen Roman schreiben. Ich bin seit Jahren dran und habe ein paar Geschichten im Kopf, muss mich aber für eine entscheiden, die ich dann konsequent zu Ende schreibe. Schreiben ist toll. Was ich bei beiden Biographien festgestellt habe ist, wie ich Erlebtes durch das Schreiben verarbeite. Packt man Dinge in gewählte Worte, nimmt man sie noch einmal intensiver wahr, als bis dato. Durch diese andere Verarbeitung der Vergangenheit habe ich neue Erkenntnisse gewonnen.

Und doch geben Sie damit ein Stück von sich der Öffentlichkeit preis. Wo finden Sie Privatheit?
In der Familie. Sie ist das Privateste, was man sich vorstellen kann. Das soll auch so sein.

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