BFF On The Road: Tagebuch zur 71. La Biennale Di Venezia

Der Venedig-Blog 2014


Tag 10: Zivilisationsgeschichtliche Elementarteilchen

Klangvolle Preise locken Stars wie James Franco nach Venedig. Sein "The Soind And The Fury" feiert Premiere in Venedig. © la Biennale di Venezia

Klangvolle Preise locken Stars wie James Franco nach Venedig. Sein „The Sound And The Fury“ feierte Premiere in Venedig. © la Biennale di Venezia

Wer sich am letzten Tag mit der unglaubwürdigen und peinlichen Vorstellung James Francos in seinem Film „The Sound of Fury“ oder Andrew Niccols himmelschreiend naiven, oberflächlichen und amerikanischer „Wir-sind-die-Guten“-Rhetorik in „Good Kill“ nicht herumärgern will, setzt über nach Venedig zur Biennale d‘ Architettura in die Giardini und das ehemalige Waffenlager Venedigs, das Arsenal. Denn wer den Input im Movievillage am Lido nicht bekommt, findet hier ganz sicher Inspiration, Geschichten und überraschenderweise auch Filme.

Fundamentals„, so der Titel der 14. Architekturbiennale, die einer der renommiertesten Architekten, Rem Kohlhaas, in diesem Jahr kuratierte, steht anders als in den vorherigen Jahren, ganz im Zeichen der Reflexion über Funktion und Geschichte der Architektur. Der gebürtige Niederländer organisiert mit seiner eher philosophischen Ausstellung eine soziologische und anthropologische Reise durch Zeitepochen und Kulturen. Nicht Architekten und deren Bauten und Ideen füllen zu einem übergeordneten Thema beispielhaft die Säle, sondern die Elementarteilchen des Baus. Die Gebäude und Räume sind in ihre Einzelteile zerlegt. Was ist eigentlich ein Flur und wie sehen Flure aus, wie haben sie sich im Laufe der Zeit verändert und wie sieht es mit Alarm- und Sicherheitssystemen aus? Wie waren sie damals und wodurch zeichnen sie sich heute oder in Zukunft aus? Was sagt es beispielsweise über eine Gesellschaft aus, die wenn es nach der ATA US geht, im Jahr 2020 eine „Smart Security“ in Betrieb nehmen will, die auf Grund von Gesichtserkennungsdaten und vermutlich einer Menge Netzinformationen zu einer Person, darüber entscheidet, wer zukünftig am Flughafen problemloser durch die Kontrollen gewinkt wird und wer nicht. Wie hat sich eigentlich die Form und Struktur an Fassaden, Dächern, Fenstern usw. verändert? Die zentralen Fragen sind: Was ist ein Bau, was definiert ihn und wie hat sich das durch die Epochen verändert? Wohin hat sich die erste Feuerstelle (ca. 230.000 Jahre alt) eigentlich entwickelt? Fast schließt sich die Architekturbiennale der letztjährigen Biennale d’Arte an, die durch Massimilano Gioni auch eher enzyklopädisch kuratiert wurde. Herzstück der Ausstellung ist David Rapps herausragende Videocollage, die den Strukturen des Baus an Beispielen in der Filmgeschichte folgt. Sie allein erzählt mehr als alle auf dem Filmfestival präsentierten Filme zusammen.

Erstmals öffnete ein Kurator eines Teils der Biennale, die sich in die Sektionen Kunst, Film, Architektur, Musik und Theater gliedert, den Dialog für alle Künste. Musikveranstaltungen finden sich neben Theaterinszenierungen und Filmvorführungen in den Räumen der Architekturbiennale. Und nicht zuletzt liefern gerade die Filminstallationen, die teils in Ausschnitten, teils als ganze Vorführungen organisiert sind, einen fantastischen Rahmen als Reise durch das Land Italien, seine Gebäude, Katastrophen und Landschaften und seine Filmgeschichte. Die interdisziplinäre Herangehensweise des Architekten öffnet die sonst eher einem Fachpublikum vorbehaltene Ausstellung dem Laien, und lädt ihn zur Reflexion über die Zivilisationsgeschichte ein. Großartig, beeindruckend und ein sehr interessantes und viel tieferen Input lieferndes Gegenstück zur 71. Mostra del Cinema.

SuT

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