Kurzfilmtag 2014 – Interview mit AG Kurzfilm-Geschäftsführerin Jana Cernik
Pure Filmlust wecken
Berlin, ganz Deutschland, Europa und die ganze Welt widmen sich seit drei Jahren am kürzesten Tag des Jahres, dem 21. Dezember, dem Kurzfilm. In Deutschland führt die in Dresden ansässige AG Kurzfilm die Feder für Der Kurzfilmtag. Vor Beginn haben wir uns mit Geschäftsführerin Jana Cernik über die Lage des Kurzfilms in Deutschland und der Welt unterhalten und erfahren, wie die Kunstform institutionell gestärkt und unterstützt werden kann.
Frau Cernik, der deutsche Kurzfilmtag folgt seit 2012 dem französischen Vorbild „Le Jour Le Plus Court“. Wie steht es in Europa um den Kurzfilm?
Jana Cernik: Die Situation des Kurzfilms ist in jedem Land unterschiedlich, weil sie abhängt von dem jeweiligen Fördersystem und politischen Kulturverständnis, in welches der Kurzfilm eingebettet ist und das seinen Stellenwert bestimmt. In Frankreich ist der Kurzfilm relativ hoch angesehen, er ist wie der Film im Allgemeinen Teil der Hochkultur und wird dementsprechend gefördert. Dieses Zusammenspiel von Politik, Kulturverständnis und Förderung schlägt sich u.a. auch darin nieder, dass z.B. 80 Prozent der Kinos in Frankreich Kurzfilme zeigen. Insofern ist es nur natürlich, dass die Idee zu einer Kampagne für den Kurzfilm aus Frankreich kommt.
Anders sieht es z.B. bei der Förderung durch die Europäische Kommission aus. Dort ist der Kurzfilm, wie alle audiovisuellen Medien, Teil des Media-Programms. Als künstlerisch eigenständige Form fällt er bedauerlicherweise durch das Förderraster, denn das Media-Programm ist eine Wirtschaftsförderung und die Wirtschaftlichkeit im Sinne von Marktanteil fällt beim Kurzfilm kaum ins Gewicht. Es ist schade, dass ein Signal von der Europäischen Kommission in Richtung Kurzfilm fehlt.
Wie ist die Lage in Deutschland?
Anders als in Frankreich sind wir in Deutschland noch weit davon entfernt, den Kurzfilm als eigenständige Kulturform zu akzeptieren, die ihre Rechtfertigung nicht nur in Filmhochschulen oder Nachwuchsförderung sucht. Obwohl es in Deutschland viele gut ausgestattete Filmhochschulen gibt und das Fördersystem für Kurzfilme vielfältig aufgestellt ist, wird das Potenzial des Kurzfilms in der Branche leider weitestgehend unterschätzt.
Kurzfilme sind in unseren Kinos keine solche Selbstverständlichkeit wie in Frankreich. Im Fernsehen sieht es nicht besser aus: Die „Kurzen“ führen, was die Massenverbreitungskanäle angeht, eher ein Schattendasein. Dadurch reduziert sich natürlich die Sichtbarkeit des Kurzfilms beim Publikum. Dass er keinen Zugang zu etablierten Auswertungskanälen hat, ist eines seiner Grundprobleme.
Muss Kurzfilm in Bezug auf Förderung aber auch hinsichtlich Produktion oder Vertrieb nicht vollkommen anders gedacht werden als bei langen Spiel- bzw. Dokumentarfilmen?
Ja, das muss er in jedem Fall. Genau dort liegen im Augenblick die Schwachstellen des deutschen Systems. Um der Spezifik des Kurzfilms gerecht zu werden, muss z.B. einiges im Filmfördergesetz hinsichtlich Produktions- und Auswertungsbedingungen verbessert werden. Der Kurzfilm ist eben „nicht nur“ ein kurzer Langfilm, wie viele denken, sondern eine eigenständige Kunstform. Ihn in die konventionellen Produktions- und Auswertungsprozesse zu pressen, klappt nicht. Es müssen neue her, bzw. es muss ein Weg gefunden werden, den Kurzfilm mit „einzubeziehen“. Man tut sich schwer mit der künstlerisch-experimentellen Seite des Kurzfilms und übersieht die Impulse, die für das Medium Film im Allgemeinen von ihm ausgehen. Zu diesem Thema haben wir gerade eine neue Edition des Kurzfilmmagazins SHORT report herausgebracht. Unter dem Titel „Vielfalt als Stärke – Zur Lage des Kurzfilms in Deutschland“ (Download hier) finden sich dort die verschieden Perspektiven der Akteure aus der Branche wieder.
Festivals bleiben für den Kurzfilm Oasen, da sie so den Weg auf die große Leinwand finden. Wieso zeigen nicht mehr Kinos Kurzfilme, z.B. auch als Vorfilme?
Kino ist ein Kulturort, aber eben auch ein Wirtschaftsbetrieb. Es gibt viele Kinos, die Kurzfilme im Programm haben. Allerdings nur, wenn sie den organisatorischen und kuratorischen Aufwand, der nicht unerheblich ist, bewältigen. Und wenn sie keinen langen Werbe- und Trailerblock vor dem Hauptfilm zeigen müssen, um wirtschaftlich erfolgreich zu sein oder um einfach zu überleben. Außerdem existieren verschiedene Konzepte von Kino: angefangen bei den kommunalen Kinos über Programmkinos mit ihren unterschiedlichen Abstufungen bis hin zu Multiplexen. In deutschen Multiplexen laufen Kurzfilme fast gar nicht.
Nicht zuletzt ist das Kino an sich einem Wandel unterworfen. Niemand weiß genau, in welche Richtung sich dieser vollzieht. Seit Jahren sind neue „Abspielorte“ im Internet hinzukommen – und es werden immer mehr. Wenn wir das Kino als einen besonderen Ort erhalten wollen, muss es sich zukünftig klarer positionieren. Und dabei könnte ihn der Kurzfilm unterstützen.
Doch zurück zu Ihrer eigentlichen Frage: Es ist sinnvoll, dem Kinobetreiber freie Hand bei der Programmgestaltung zu lassen. Er soll selbst bestimmen, ob und in welcher Form er Kurzfilme zeigen möchte. Schließlich kennt er sein Publikum am besten. Viele Kinobetreiber sind der Meinung, dass man dem Kurzfilm nicht gerecht wird, wenn er als Vorfilm läuft. Sie möchten lieber abendfüllende Programme zeigen. Und diese Freiheit sollen sie auch haben.