Interview mit Fernando León de Aranoa zu „A Perfect Day“

Wie Krieg die menschliche Natur verändert


Regisseur Fernando León de Aranoa im Interview zu "A Perfect Day". © x-verleih

Regisseur Fernando León de Aranoa im Interview zu „A Perfect Day“. © x-verleih

Schon mit „Montags in der Sonne“ und „Princesas“ begeisterte der spanische Regisseur Fernando León de Aranoa seine Zuschauer. Sein „A Perfect Day“ wartet mit einem tollen Cast auf, den Benicio del Toro und Tim Robbins anführen. Sein kluges Drama, das in Cannes seine Premiere feierte und beim Filmfest Hamburg überzeugte, blickt hinter die Kulissen des Krieges und kommt ohne wildes Geballer und stumpfen Bodycount aus. Im Interview erkärt er uns seine Grundregeln des Filmemachens, denkt über die menschliche Natur nach und beurteilt die Situation auf dem Balkan heute.

Senor Aranoa, Sie sagen über „A Perfect Day„, sein Genre sei „das Leben“. Wie meinen Sie das?
Fernando León de Aranoa:
Der Film ist Komödie und Drama zugleich – so wie das Leben. Natürlich ist es ein Drama, weil wir über Krieg sprechen, er hat lustige Momente, ist aber auch ein Road Movie, da sich eine große Zeit in Autos und mit der Suche nach dem Seil abspielt. Der Film versucht über Krieg und wie er wirkt zu erzählen – und das ohne Kämpfe oder Schiessereien. Alle Menschen darin, versuchen Ordnung ins Chaos zu bringen. Jeder auf seine Art. Rationalität stößt an solchen Orten an seine Grenzen.

Sie zeigen im Film keine Gewalt, setzen den Zuschauer aber dem Gefühl aus, dass bald etwas Schlimmes passieren könnte. War das eine Grundidee, keine Gewalt zu zeigen?
Es ist ein Element, das ich aus meiner Arbeit an solchen Orten verdanke. Landminen strahlen genau das aus. Sie könnten da sein. Sie strahlen immer Gefahr aus. Dieses Gefühl, dass immer etwas Schreckliches passieren könnte, trägt den Film. Das gehört zum Leben der Menschen dort. Kämpfe kennen wir aus vielen Filmen, wo das auch schon perfekt inszeniert wurde. Das war für mich nicht interessant. Am Ende ist es für mich einfacher. Es geht um Überleben. Um Hass, darum jemanden zu töten, ehe er dich tötet. Ich bevorzuge den anderen Blickwinkel. All den Horror und das Chaos zeige ich auch, aber es ist in deren Köpfen, in der Nachbarschaft. Ich zeige eine andere Art von Gewalt, die überall versteckt ist. So konnte ich besser über die menschliche Natur erzählen.

Wie schwierig ist es für Menschen unter solchen Umständen weiter menschlich zu agieren?
Krieg korrumpiert alles. Nicht nur das Wasser, wie zu Beginn des Films, sondern die gesamte menschliche Natur. Verschiedene Interessen prallen aufeinander: Überleben, Furcht, Bürokratie – jeder handelt unterschiedlich. Im Film verschafft sich schon das Kind Vorteile, indem er sagt, er wüsste, wo die Helfer ein Seil finden könnten, trickst er sie aus. Das macht jeder in solchen Situationen und jeder hat gute Gründe dafür, nicht zu helfen. Der Film handelt davon, wie Krieg die menschliche Natur verändert. Ich wollte keine Helden portraitieren, die Menschen aus Flammen retten. Mir ging es darum, zu zeigen, dass auch die, die Probleme nicht lösen können, Helden sind. Denn es ist verdammt schwer, dort irgendetwas in Ordnung zu bringen. Im Film scheitern alle regelmäßig. Das ist normal und real. Einfach dort zu sein und zu versuchen, etwas zu ändern, das ist schon heldenhaft. Sie werden zu Helden, weil sie es immer wieder probieren. Sie geben nicht auf.

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