Jürgen Prochnow zu „Die dunkle Seite des Mondes“

Prochnow: "Das Finanzsystem ist pervers."


Jürgen Prochnow (links) mit Moritz Bleibtreu in "Die dunkle Seite des Mondes". Foto: Felix Cramer/Alamode Film

Jürgen Prochnow (links) mit Moritz Bleibtreu in „Die dunkle Seite des Mondes“. Foto: Felix Cramer/Alamode Film

Jürgen Prochnow gelang mit „Das Boot“ 1981 der internationale Durchbruch. Er arbeitete für viele Jahre in den USA mit den wichtigsten Regisseuren der Branche. In der Verfilmung des Martin Suter Romans „Die dunkle Seite des Mondes“ kehrt er mal wieder in einer deutschen Produktion auf die Leinwand zurück. Beim Filmfest Hamburg konnten wir Prochnow interviewen. Im Gespräch blickt der ausgebildete Bankkaufmann auf seine Laufbahn zurück, erklärt, was Sprache ihm bedeutet und verrät, was er gerade liest…

Herr Prochnow, kannten Sie Martin Suters Roman „Die dunkle Seite des Mondes„? Lesen Sie überhaupt viel?
Jürgen Prochnow:
Ich lese gerne und viel. Aber nicht im Bezug darauf, ob es verfilmbar ist. Darüber hinaus lese ich viele Drehbücher, das gehört dazu. Oft sind das Adaptionen, dann lese ich auch die Bücher, die damit zusammenhängen. Den Suter kannte ich nicht.

Was lesen Sie gerade?
Mein letztes Buch war Houellebecq, dessen „Unterwerfung“ so erschreckend nahe an der Wirklichkeit ist. Ich finde ihn faszinierend. Zum Teil auch ekelhaft, lese ihn aber trotzdem.

Er beobachtet und analysiert die Gesellschaft sehr gut. Für wie realistisch halten Sie seine Vision?
Meine Frau sagt, das sei nicht so weit hergeholt. Obwohl es vielleicht falsche Ängste schürt, ist das, was er da durchspielt sehr interessant. Man kann sich dem nicht entziehen. Auch in „Die Möglichkeit einer Insel„, in dem er den neuen Menschen beschreibt, der den alten – also uns – ablöst. Roboter, die besser in die Welt passen als wir mit unseren Liebessehnsüchten. Das ist nicht mehr gefragt und notwendig.

Schriftsteller haben alle Möglichkeiten, die schaffen aus dem Nichts Alles. Bei Schauspielern ist das begrenzter, die müssen nach Vorlagen arbeiten…
Das stimmt, aber es bleiben gewisse Möglichkeiten, sich als Schauspieler einzubringen. Bei meinem Pius Ott war das nicht so, aber die Figur Blank ist im Vergleich zum Roman verändert worden. Im Roman ist Blank die Vorwegnahme von Pius Ott. Pius ist ein alter Blank. Sie teilen die gleiche Einstellung, verlieren Moral auf die gleiche Weise. Es zählen nur noch das Geld, der Kapitalismus und das Fertigmachen des anderen. Für das Kino finde ich die Veränderung der Figur gerechtfertigt, da es anderen Gesetzen folgt und über Bilder erzählt. Da gerät dieser Mann auf diesen schrecklichen Horrortrip, von dem er denkt, dass Pilze diesen ausgelöst hätten. Bald stellt er aber fest, dass eine dunkle Seite in ihm herauskommt. In der Natur findet seine Katharsis statt. Dort findet er zu sich selbst zurück.

Pius Ott ist doch als Rolle ein Glücksfall, oder?
Mir hat das Drehbuch gefallen. Es ist nicht so, dass es ein sonderlich lukratives Angebot war, eher eine Low-Budget-Produktion, die zustande kam, weil dieses Buch, das seit zwölf Jahren auf dem Markt ist, verfilmt werden soll. Da war schon ein Regisseur namens Hirschbiegel vorgesehen. Das hat mir Moritz Bleibtreu erzählt, der schon damals die Rolle Blank übernehmen sollte. Irgendwann kam Stephan Rick an den Film. Wir haben alle Zugeständnisse gemacht, ich bin aber nicht mit dem Klingelbeutel rum, um Spenden zu sammeln.

Ihr Pius ist unheimlich reduziert und flößt durch pure Blicke Angst ein…
Absolut, die Figur wirkt durch das Reduzierte unheimlich gefährlich. Moritz wirkt, wenn er durchdreht, eher animalisch. Er wird zum Tier, zum reißenden Wolf. Von ihm geht eine andere Art der Gefahr aus.

Von Ihnen geht in dem Moment eine unheimliche Gefahr aus, in dem Ihr Pius sehr zivilisiert Blank dieses Messer überreicht…
Im Moment mit dem Messer hat er ihn. Da ist er an dem Punkt, wo er ihn hin haben will.

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