Jürgen Prochnow zu „Die dunkle Seite des Mondes“

Prochnow: "Das Finanzsystem ist pervers."


filmplakat_dunke_seite_des_mondesApropos Sprache: Im Theater lernten Sie den Umgang mit der hohen Literatur. Drehbücher haben einen anderen Anspruch. Wie gehen Sie damit um?
Das gibt es im Theater auch. Viele Stücke, waren keine tolle Literatur, aber trotzdem tolle Theaterstücke. Beim Film ist das genauso. In Bezug auf Sprache ist da eher eine Unsicherheit, die in einer anderen Sprache entsteht und die ich nicht Gegenchecken kann. In meiner Muttersprache habe ich eine andere Erfahrung, da bin ich sicher, den richtigen Ton zu treffen und das richtige Wort zu benutzen. Es gibt Sätze, die ich beispielsweise auf Russisch oder Französisch gesagt habe, Sprachen, in denen ich gedreht habe, die sind noch viel weiter weg. Bei Russisch kann ich beurteilen, ob das phonetisch richtig klingt, aber inhaltlich kann ich das nicht.
Bei Drehbüchern, die Filmen zugrunde liegen, sprechen wir von einer anderen Kunstform. Es hat nicht den Anspruch, Literatur zu sein, der Film ist eine eigene Kunstform im Gegensatz zum Roman, zur Poesie und zum Gedicht. Es will etwas anderes: Filme werden über Bilder erzählt und die Sprache ist leichter, sekundär.

Was muss eine Rolle für Sie haben, dass Sie diese übernehmen? Hier hat Sie ja nicht der Verdienst gelockt…
Das Buch und dieser Film, drücken eine Situation in unserer Gesellschaft aus und zeigen, zu was Menschen werden und werden können und vielleicht auch immer mehr werden. Das ist eine furchteinflössende Entwicklung. In den USA gilt die Devise: Another day, another Dollar. Da geht es in erster Linie darum, Geld zu machen, Geld zu machen, Geld zu machen. Wenn das der Sinn des Lebens ist, möchte ich das nicht unterstützen. Drüben wird der, der am meisten Geld verdient, am höchsten angesehen. In meinem Beruf ist das etwas anderes, das Gestalterische hat eine ganz andere Aufgabe. Mich reizte an der Konstellation, den Leuten zu zeigen, wohin so eine Gesellschaft geht. Was für Monster sie gebiert. Ich hoffe nicht zu viele.

Finanzen, Kapitalismus, usw. da sind Sie auch von daher Experte, da Sie eine Ausbildung zum Bankkaufmann gemacht haben. Wie nehmen Sie das System wahr?
Ich habe eine Kaufmannslehre gemacht, bin aber kein Kapitalist. Einer meiner engsten Freunde ist mit einer Investment-Bankerin verheiratet, die ausgestiegen ist. Ich finde, so wie das heute existiert, ist das ein Verbrechen. Durch Thatcher wurde das in Europa zugelassen. Was da getrieben wird, müsste teilweise verboten werden. Diese Geschäfte, die da gemacht werden, diese Hedgefonds-Manager und die Leute, die Zertifikate andrehen. In meiner Zeit bei der Bank gab es das nicht. Vielleicht schon in Amerika, aber mir war diese Art des Bankings unbekannt. Ich finde, das viele Geld steht in keinem Verhältnis zu einer wirklichen Arbeit, die verrichtet wird, wo jemand etwas macht und in einer Stunde 8,50 Euro verdient. Diese Leute machen innerhalb von einem Jahr zwei Milliarden und das nicht mal mit ihrem eigenen Geld, sondern mit dem von Anlegern. Ich finde das derartig unmoralisch, ich kann es gar nicht sagen. Das ist pervers.

Sind die Amerikaner nicht neugierig auf Sie als Deutschen?
Kollegen beneiden unser Theatersystem, wo die meisten von uns Schauspielern herkommen und ausgebildet wurden. Das subventionierte Theater, das ein Geschenk ist, existiert drüben nicht. Darum werden wir beneidet. Das gibt es in keinem anderen Land und ist für mich von unschätzbarem Wert.

Die Fragen stellte Denis Demmerle.

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