Ehrenbären-Preisträger Michael Ballhaus bei den Berlinale Talents

Verrückter Fassbinder, blutrünstiger Scorsese



Ab Mitte der Achtziger Jahre eroberte Ballhaus dann Hollywood – zusammen mit Regisseuren wie James L. Brooks, Paul Newman, Mike Nichols („meine Art zu Filmen war ihm immer zu arty-farty“), Francis Ford Coppola und immer wieder Martin Scorsese, mit dem er sieben Filme drehte. Über „Marty“, wie Ballhaus den amerikanischen Regisseur liebevoll nennt, weiß er nur Gutes zu berichten, Seinen Hang zu exzessiven Gewaltszenen jedoch lehnt Ballhaus bis heute ab. „More blood“ soll dieser oft gerufen haben, wenn es mal wieder blutig in einem seiner Mafia-Filme zuging, wie etwa „Good Fellas“ (1990) oder „Departed“ (2006).

Bei so viel bewegter Vergangenheit gerät man leicht ins Träumen: Immer wieder muss Jim Rakete den Elder Statesman der Fotografie mit einer lustigen Bemerkung oder einer Überleitung zurückholen und zum nächsten erfolgreichen Film oder zum nächsten großen Regisseur weiterschieben – bisweilen geht dabei ein wenig von der Spannung verloren, die entsteht, wenn Ballhaus in die direkte Szenenanalyse geht. Wie etwa bei dem sogenannten Copacabana-Shot aus „Good Fellas„, bei dem Ballhaus mit einer über dreiminütigen Plansequenz durch den Hintereingang eines Clubs, in die Küche und schließlich in den Club führt. Oder die Kamerafahrt aus Fassbinders „Martha“ bei der Karlheinz Böhm am Ende seiner ersten magischen Begegnung mit Margit Carstensen einen großen Schritt machen musste, um über den Kreis aus Schienen hinweg zu steigen. Von Ballhaus‘ ganz spezieller Beziehung zu seinem Arbeitsinstrument, seiner unverwechselbaren Art, mit der Kamera die Dramaturgie eines Films zu ergänzen und so „das zu zeigen, was man mit Dialogen nicht erzählen kann“, hätte man sich mehr gewünscht. In dem Interviewband „Das fliegende Auge“ (2002) erzählt Ballhaus im Gespräch mit Regisseur Tom Tykwer von seiner Philosophie der Bilder, die durchaus in der Tradition der französischen Mis en Scène steht und die das Erzählen mit der Kamera ermöglichen. Ballhaus‘ eigentliche Leistung, die künstlerische Bildregie in die Blockbuster Hollywoods „eingeschmuggelt“ zu haben, kommt an diesem Abend weniger zur Geltung. „Der Mann, der da heute gesprochen hat, ist für so eine bestimmte Kameratechnik bekannt, oder?“, fragt die junge Frau, die den Kaffeeautomaten im Foyer des Hebbel am Ufer bedient, nach Ende der Veranstaltung. Dafür und für ein Lebenswerk, das rund 130 Filme umfasst, wird Michael Ballhaus mit dem Goldenen Ehrenbären ausgezeichnet.

Text: Cosima M. Grohmann

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