Auf ein Wasser mit „Luca tanzt leise“-Regisseur Philipp Eichholtz



Wie verstehst du deine Aufgabe als Regisseur?
Als junger Filmemacher hatte ich wirklich Angst vor Schauspielern. Die Technik ist beherrschbar, sobald du sie verstehst. Es gibt Normen. Ich hatte immer Angst, dass einer meiner Schauspieler eine Frage stellt, die ich nicht beantworten kann. Mittlerweile ist mir die Technik wirklich egal geworden. Der Fokus ist verrückt. Ich habe mit den Jahren gelernt, dass ich als Filmemacher nicht auf jede Frage eine Antwort kennen muss, ich muss nur wissen, was ich mit jeder einzelnen Szene erzählen will. Wenn ich das weiß, kann man gemeinsam eine Lösung finden. Zu akzeptieren, dass ich manchmal nicht weiter weiß und keinen Lösungsansatz bereit habe, ist befreiend.
Das einzige, was ich am Ende zum Filmemachen brauche, sind meine Schauspieler. Die Emotionen ziehe ich aus ihren Gesichtern. Dollyfahrten und Kranshoots sind tolle Spielereien, wenn sie effektiv eingesetzt werden, aber sie sind nicht ausschlaggebend. Ich habe gelernt, dass Filmemachen ein Gemeinschaftsprojekt ist. Nichts liegt mir ferner als der Geniegedanke vom Regisseur der ganz alleine arbeitet. In jedem Department hat man mit kreativen, sensiblen Köpfen zu tun, die sich einbringen wollen. Keine Ahnung, wie man das vergessen kann.

Wie kommst du zu deinen Stoffen?
Ich gehe danach, was mich berührt. Das sind oft autobiografische Stoffe und Stoffe aus meinem engsten Bekanntenkreis. Ich schlage nicht die Zeitung auf und ziehe da etwas heraus. Das könnte ich nicht. Es gibt viele aktuelle Themen, die wichtig sind und über die Filme gemacht werden sollten. Aber ich stelle mir dann die Frage, was kann ich dazu beitragen, was mehr ist, als die allgemeine Meinung? Bei den kleinen Geschichten bin ich viel näher dran. Trotzdem treffen meine Figuren eine universelle Wahrheit, weil ich versuche, allen Figuren die größtmögliche Menschlichkeit zu geben.

Verstehst du „Luca tanzt leise“ als Berlinfilm?
Auf seine eigene Art bestimmt. Ich drehe allerdings einfach immer da, wo ich wohne, da habe ich weniger Angst, weiß wie weit ich gehen darf. Der Film spielt zu großen Teilen in Tempelhof, da war ich mir sicher, das viele Ecken noch nicht in Filmen zu sehen waren.

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Und verstehst du dich selbst als Mumblecore Filmemacher?
Den Begriff finde ich witzig. Da werden so viele verschiedene Arbeitsansätze zusammengebracht. Ich weiß zum Beispiel wie Tom Lass oder auch Axel Ranisch arbeiten und wir alle könnten nicht verschiedener sein. Wir wollen im Endeffekt dasselbe, aber wir sind doch von unseren Persönlichkeiten geprägt.
Ich habe meine ganze Arbeitsweise von Axel Ranisch gelernt. Er ist nicht nur Freund, sondern auch Mentor. Sein Film „Dicke Mädchen“ hat mir damals vor Augen geführt, warum wir Filme machen. Es geht ums Berühren. Ich sehe so viele Filme auf Festivals, die aussehen wie Hollywoodproduktionen, aber es fehlt das Gefühl. Sie blenden nur. Ich bin am besten, wenn ich mit Improvisationen arbeite. Das ist keine Entscheidung, weil es gerade beliebt ist und gut beim Publikum ankommt. Ich habe mich in dieser Art des Geschichtenerzählens einfach gefunden.

Was für einen Eindruck hast du von der deutschen Filmszene?
Ich verstehe nicht, warum jedes Jahr wieder die Diskussionen darum geführt wird, ob der deutsche Film nun tot, langweilig oder verstaubt ist. Es gibt so viele Filme außerhalb des Systems, die teilweise sogar ein größeres Publikum haben. Das macht doch Mut. Wir haben in Berlin eine junge, vitale Filmszene. Da sind Filmemacher, die brennen und Leidenschaft haben. Die sollte man nicht vergessen.

Das Interview führte Emily Grunert.

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