BFF on the Road: 22. Ausgabe des Busan International Film Festival

Busan 2017: Filme aus Asien mit auffällig vielen frauenbezogenen Themen


Der Festival-Schwerpunkt lag auf dem asiatischen Filmschaffen und ermöglichte einen ausführlichen Überblick. Erstaunlich viele Beiträge stammen aus Japan, nämlich 42 aus einem Total von 300 Filmen. Neben mehreren Mumblecore-Thematiken ging es vielfach um Geschichten von Außenseitern. Beeindruckend war beispielsweise das Sozialdrama „The Scythian Lamb“ („Das Skythische Lamm“) von Daihachi Yoshida, einer der Gewinner des neu eingerichteten Kim Ji-seok-Preises. Japan möchte sein Justizwesen reformieren und langjährige Gefängnisinsassen frühzeitig in die Gesellschaft integrieren. Dies soll dem Staat in erster Linie Geld sparen. Zu diesem Zweck bewirbt sich eine kleine Hafenstadt insgesamt acht verurteilte Mörder bei sich aufzunehmen. Alle erhalten Arbeit und werden von einem Angestellten der Verwaltung betreut, sie sollen nur nicht von der Existenz des jeweils anderen erfahren. Die Konstellation entwickelt unterschiedliche Dynamiken und wirft eine Vielzahl sozialkritischer Fragen auf. Die Erwartungen des Publikums werden geschickt konterkariert. Daihachi war auch mit einem zweiten Film vertreten.

In „A Beautiful Star“ glaubt ein Fernsehmeteorologe, dass er und seine Kinder vom Mars stammen und sie die Welt retten müssen. Mit einem erstaunlich ähnlichen Thema beschäftigt sich auch der neue Film von Kyoshi Kurosawa (bei der diesjährigen Berlinale lief „Creepy„) „Before We Vanish“, indem Außerirdische auf die Erde kommen, sich in die Körper der Menschen schleichen, um deren Übernahme durch ihre Spezies vorzubereiten. Der Japaner beweist erneut sein Talent für besonders aussehende Darsteller und einen Sinn für ungemütliche psychische Atmosphären. Genauso wie Daihachi steht er als Beispiel da für die hohe Produktivität aktueller japanischer Filmautoren, die im Jahresrhythmus oder in noch kürzeren Intervallen neue Filme herausbringen. Wer sich ebenfalls in diese Riege einreiht, ist Sion Sono, der sein herrlich kompromisslos trashiges „Tokyo Vampire Hotel“ gleichzeitig in Busan und Sitges präsentierte.

Weiterlesen: Unsere Kritik zu „The Tokyo Night Sky Is Always the Densest Shade of Blue“ von Yuya Ishii.

Die japanische Präsenz in Busan war stark, doch nicht nur aus künstlerischer Sicht. Mehrere Autorenfilme, aber auch ein paar koreanische Großproduktionen haben sich mit Vergangenheitsbewältigung auseinandergesetzt. Das ist weiterhin ein wunder Punkt in der Geschichte Koreas und in der Beziehung der beiden Länder miteinander. Korea erwartet immer noch, dass Japan Verantwortung für die Verbrechen übernimmt, die es am koreanischen Volk während der Besetzung bis zum Zweiten Weltkrieg verübt hat. Tausende Koreaner wurden, zum Teil unter falschen Versprechen und mit Gewalt, nach Japan verschifft und dort Zwangsarbeiten unterworfen, viele Frauen zur Prostitution gezwungen.
The Battleship Island“ von Seungwang Ryoo („Veteran„, „The Berlin File„) erzählt mit großer Brutalität, aber auch Humor von der Kolonie auf Hashima Island, auf der japanische Kriegsschiffe gebaut wurden und von der Koreaner kurz vor dem Einschlag der Atombombe unter dramatischen Umständen fliehen konnten, nachdem eine Mehrzahl anderer unter den brutalen Verhältnissen vor Ort starb. Der Film hat großes Aufsehen erregt, wurde von japanischer Seit als manipulativ und übertrieben angesehen. Doch die UNESCO hat 2017 die Wahrhaftigkeit der historischen Ereignisse offiziell anerkannt. Es gab auch Sondervorführungen des Films in Paris vor Diplomaten und UNESCO-Mitarbeitern. Star des Films ist der koreanische Liebling Jung-min Hwang. Der Film erinnert in seiner Konzeption an „Das Leben ist schön“ von Roberto Benigni. Auch hier versucht der Familienvater, gespielt von Hwang, seine Tochter im alltäglichen Gräuel mit Humor beizustehen. Die brutale Gewalt, die im Film dargestellt wird, wurde beim Festival als nicht für unter 16-Jährige geeignet eingestuft, was mit Sicherheit zutrifft. Daher war es durchaus erstaunlich, dass in Busan eine Vorführung von einigen Familien zu einem Ausflug mit Kindern weit unter zehn Jahren genutzt wurde. Deren Mütter ließen ihre Kinder sogar im Kino, obwohl diese mehrfach laut weinten.

Einen Film über die Frauen, die in den 1950er Jahren von der koreanischen Regierung offiziell als „Comfort Women“ für die US-amerikanischen Soldaten, die in Korea stationiert waren, eingesetzt wurden, fällt ebenfalls in diese Thematik. „America Town“ von Seooil Jeon entwirft ein düsteres Bild eines Dorfes, das ausschließlich von der Existenz der Amerikaner lebt. Die Menschen darin wirken wie gebrochene, verfluchte Wesen, die ihren Kummer im Alkohol ersäufen versuchen und an der Unerreichbarkeit ihrer Sehnsüchte verzweifeln.

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