„Einige Festivals werden die Epidemie nicht überleben“


Matthias Groll von festiwelt und interfilm
Matthias Groll von festiwelt und interfilm

Am Sonntag steht die Wahl zum 19. Abgeordnetenhaus von Berlin an, die Kultur ist gebeutelt, von der Pandemie insbesondere, aber auch strukturell gibt es Probleme für insbesondere die Filmfestivals der Stadt. Die sind im Verein Festiwelt organisiert, der den Interessen eine gemeinsame Stimme gibt. Mit Matthias Groll, Vorstand von Festiwelt und Kurator bei interfilm, haben wir uns über die Lage der Filmfestivals unterhalten und gefragt, welche der zur Wahl stehenden Parteien sich für die Filmfeste einsetzt.

Matthias, meine erste Frage scheint trivial, aber nicht jede*r weiß, was die Filmfestivals, die sich zB in Festiwelt zu einem Netzwerk zusammengefunden haben, für Berlin und die Kultur leisten. Erkläre doch bitte kurz und ganz allgemein, warum braucht es überhaupt Filmfestivals?
Matthias Groll:
Gegenfrage: Braucht es Kultur!? – Natürlich nicht unbedingt. Es geht auch ohne, sofern geistige Verarmung Trend sein soll. Filme im Kino mag man der Kultur zurechnen, doch Filmfestivals sind zugleich auch ein wichtiger Teil der Verwertungskette innerhalb der Filmindustrie. Erst Festivals bieten mit Gästen, Austausch und Visionen den Nährboden kultureller Lebendigkeit. Ohne Festivals wäre das Dasein und die Kultur dürftig karg. Festivals jedenfalls zeigen Filme, die man sonst kaum je sehen kann. Filmfestivals sind die Seele des Kinos.

Berlin ist reich an Kinos und an Abspielorten für Film. Welche Rolle nehmen die zum Beispiel bei Festiwelt organisierten Filmfestivals ein?
Die Festivals sind in der Stadt überaus präsent. Fast jede Woche findet mindestens ein Festival statt. Jedenfalls war das vor Corona so. Einige Festivals werden die Epidemie nicht überleben, denn Engagement wird weder automatisch gewürdigt noch vergütet. Da geht einem schon mal die Luft aus. Zudem haben Festivals durchaus Probleme, Abspielstätten zu finden. Es mag in Berlin zahlreiche Kinos geben, oft aber stehen sie seitens der Filmverleiher derart unter Druck, dass sie Filmfestivals mitsamt ihrem vielfältigen Programmen und Angeboten oftmals absagen müssen. Dies ist natürlich zum Nachteil für jene Bevölkerung, die sich kulturelle Vielfalt wünscht.

Fühlt ihr euch als Festival-Veranstalter*innen gut von Berlin unterstützt?
Nein. Es gibt Zuständigkeitslücken zwischen der Senatskanzlei, die eigentlich für Film und Medien zuständig, aber auf Filmwirtschaft fokussiert ist, und der Senatsverwaltung für Kultur und Europa, die gelegentlich Festivals und Filmreihen fördert, aber vor allem wenn es Nähe zu den „klassischen“ Kunstsparten wie Bildende Kunst gibt. Ein Bewusstsein für Film als eigenständige Kunstform und die diverse Berliner Festivallandschaft als wichtige Vermittlungsplattform muss noch in der Politik geschärft werden. Das ist eine wichtige Aufgabe für uns.

Vor einem Jahr hat Festiwelt einen Offenen Brief an die Senatskanzlei Berlin und deren Chef Christian Gaebler geschickt, die Lage der Filmfeste beschrieben und aufgrund der Problemthemen drei zentrale Forderungen gestellt: Die langfristige Unterstützung durch Förderprogramme, die Anerkennung von Filmkurator*innen-Arbeit als unterstützungswürdige Tätigkeit und eine klar definierte landespolitische Zuständigkeit für die gesamte Bandbreite der kulturellen Filmarbeit.
Auch wir von Berliner Filmfestivals haben damals unterzeichnet, um das an dieser Stelle kenntlich zu machen.
Was ist seitdem passiert?

Es gibt Austausch mit der Senatsverwaltung für Kultur und Europa und es wird weiterhin stringentes Nachbohren geben.

Am Sonntag steht die Wahl zum 19. Abgeordnetenhaus von Berlin an. 100 Berliner Kunstschaffende haben u.a. mit einer Tagesspiegel-Anzeige und auf Twitter unter dem Hashtag #kulturfuerklaus für Klaus Lederer (Die Linke) votiert. Ist er der Richtige, um Filmfestivals zu unterstützen?
Ohne Wahlwerbung machen zu wollen, ein Ja. Keine Partei und kein*e Politker*in ist ideal, aber Klaus Lederer und einzelne Mitglieder der Grünen setzen sich zumindest mit unserer Situation auseinander.

Die Fragen stellte Denis Demmerle.