18. filmPOLSKA: Aktuelle polnische Filme mit starkem Fokus auf weibliche Positionen


filmPOLSKA, das größte Festival für den polnischen Film in Deutschland, wird volljährig: Vom 6. bis 13. September 2023 begeht das Berliner Event bereits seine 18. Ausgabe. Dabei bleibt das Festival seinem Hauptanliegen treu: die nächste Generation der polnischen Filmemacher*innen einem breiten deutschen Publikum vorzustellen. Die 18. Ausgabe filmPOLSKA wird gleichzeitig die letzte Ausgabe von Kornel Miglus sein: Miglus, der das Festival 2005 ins Leben gerufen hat, lässt ab Oktober seine kuratorischen Aufgaben ruhen.

Der Eröffnungsfilm des Festivals ist PAPA (TATA) von Anna Maliszewska, ein Roadmovie zwischen Polen und der Ukraine: Michał ist LKW-Fahrer und trockener Alkoholiker – in seiner Abwesenheit hat sich die ukrainische Haushälterin um seine Tochter gekümmert. Als sie stirbt und ohne Papiere nicht bestattet werden kann, gilt es, sie zu ihrer Familie über die polnisch-ukrainische Grenze zu schmuggeln. Im Wettbewerb werden wieder sieben Erst- und Zweitfilme gezeigt, darunter der mit Laiendarsteller*innen besetzte BROT UND SALZ von Damian Kocur, ein naturalistisches Sozialdrama über den Klavierstudenten Tymoteusz, der in sein altes abgehängtes, trostloses Dorf zurückkehrt, in dem Alkohol, Aggression und Ressentiments gegen alles Fremde auf der Tagesordnung stehen; sowie THE SILENT TWINS von Agnieszka Smoczyńska, ihr erster fremdsprachiger und hochgelobter Film, der in Cannes 2022 seine Premiere feierte, ist eine freie Adaption realer Ereignisse: das Zwillingspaar June und Jennifer Gibbons wächst in den 70er Jahren in der walisischen Provinz auf, wo sie wegen ihrer Zurückgezogenheit, aber auch ihrer barbadischen Wurzeln gemobbt werden – sodass sie sich immer weiter zurückziehen und nur noch in einer ihnen bekannten Sprache kommunizieren und auch mit dem Schreiben anfangen…

Neben einer Retrospektive auf weibliches, zeitgenössisches Filmeschaffen („Unsere Geschichte/n. Neues Kino polnischer Regisseurinnen“) zeigt das Panorama „Nahaufnahmen“ weitere zeitgenössische Positionen, „Kunst & Kino“ widmet sich experimentelleren Formen, Archiv-Arbeiten unter anderem in der Topographie des Terrors umfassen Arbeiten wie den Klassiker RE von Marek Piwowski und ein Special geht aus aktuellem Anlass auf „Krieg im Dokumentarfilm“ ein. Zudem gibt es wieder zwei Kurzfilmprogramme und ein Gastprogramm Filmowe Podlasie Atakuje! Abgerundet wird das Programm unter anderem durch ein DJ-Set von der bekannten polnischen Autorin Dorota Masłowska sowie einer VR-Experience im Ausstellungskontext.

In der Folge haben wir unsere Tipps zusammengetragen.

PAPA (TATA)

Darum geht es:
Ein besonders fürsorglicher Vater war Michał bisher nicht. Der LKW-Fahrer und trockene Alkoholiker kennt die Autobahnen und Rastplätze des Landes besser als seine eigene Tochter Miśka. Seit dem Tod seiner Frau kümmert sich Michałs ukrainische Nachbarin Galina um das Mädchen. Galinas Enkelin Lenka und Miśka sind enge Freundinnen. Doch als Galina plötzlich stirbt und ohne Papiere in Polen nicht legal bestattet werden kann, endet das für Michał so praktische Arrangement. Was nun? Der pragmatische Fernfahrer packt Galinas Leiche kurzerhand in seinen LKW und nimmt die beiden Mädchen mit auf große Fahrt in Richtung ukrainische Grenze.

Was du zum Film wissen musst:
Die polnische Regisseurin und Drehbuchautorin Anna Maliszewska, 1974 in Gdynia geboren, studierte neben Filmregie auch Journalismus und drehte u. a. bereits Dokumentarfilme, Kurzfilme und preisgekrönte Musikvideos. PAPA, in dem sie auf die gern gewählte Kombination „Reise und Erwachsenwerden“ setzt, ist ihr erster Langspielfilm und überzeugt vor allem durch seinen trockenen Humor und die irrwitzigen, aber nachvollziehbaren Entscheidungen seiner glaubhaft verkörperten Protagonist*innen. – StB

Termin bei filmPolska:
06.09. / 19:00 / City-Kino Wedding / zu Gast: Anna Maliszewska

EO

Darum geht es:
Durch die Augen des Esels Eo betrachtet das Publikum (Menschheits-)Geschichte… und kann sich dem Eindruck schon bald nicht erwehren, dass es nicht das Tier ist, das eine Eselei nach der anderen begeht. So stoisch wie man es der Spezies nachsagt, lässt das alles andere als dumme Tier manches über sich ergehen, stets von der Hoffnung erwärmt, doch wieder an glückliche Tage an der Seite seiner Pflegerin Kasandra anknüpfen zu können.

Was du zum Film wissen musst:
Der 1938 in Łódź geborene Künstler und Regisseur Jerzy Skolimowski gilt als einer der ganz Großen seines Fachs. Schon im Jahr 1967 gewann er mit LE DÉPART den Goldenen Bär der Berlinale, weitere Preise bei den wichtigen Filmfesten folgten in zuverlässiger Abfolge. EO war im Frühjahr für den Oscar nominiert und im letzten Jahr für die Goldene Palme in Cannes.

Termine bei fimPolska:
10.09. / 18:00 / City-Kino Wedding / zu Gast: Anja Dihrberg-Siebler & Paulina Krajnik
11.09. / 18:00 / Sputnik

STILLES LAND (OT: CICHA ZIEMIA)

Darum geht es:
STILLES LAND begleitet das Paar Anna und Adam auf deren Italien-Urlaub. Noch jung, attraktiv, gut in Form und wohlhabend, das erkennt das Publikum am Habitus der beiden sofort, wollen die beiden ihre sicher wohlverdiente Auszeit in dem Ferienhaus im Süden vor malerischer Kulisse genießen. Dass ausgerechnet der versprochene Pool ohne Wasser ist, passt da so gar nicht ins Bild. Nicht einmal das Meer in Sichtweite kann den Missstand gut machen. Nach geschäftsmäßiger Diskussion mit dem Vermieter, verspricht der Besserung und schon bald macht sich ein junger Mann an die etwas zu geräuschvolle Arbeit. Als der plötzlich Tod in eben jenem Pool treibt, nimmt das Drama seinen Lauf…

Was du zum Film wissen musst:
Agnieszka Woszczyńskas Debütfilm, der beim Crossing Europe Filmfestival den Hauptpreis gewinnen konnte, zeigt eine Welt, in der sich die „da oben“ von denen „da unten“ immer weiter entfernen. Sie leben zwar faktischen auf einem Planeten, aber doch in unterschiedlichen Welten. Wenn alles zur Kulisse verkommt, braucht es eine Festung Europa, um die Glücklichen vor dem Leid der anderen abzuschotten. Was ein Leben wert ist, entscheidet dann auch die Herkunft. Ein Drama der leisen Töne, nachdem man Schreien möchte. – DD

Termine bei fimPolska:
08.09. / 18:00 / Sputnik
10.09. / 15:00 / fsk Kino
12.09. / 19:00 / City-Kino Wedding

WILDE ROSEN

Darum geht es:
Ewas Ehemann ist kaum zuhause, einen Großteil des Jahres arbeitet er in Norwegen. Ewa ist alleine mit den beiden Kindern und dem Versuch, den Ansprüchen ihrer Mitmenschen zu genügen. Längst hat sie ihr eigenes Wohlergehen aus den Augen verloren. Immer öfter schweigt sie, vermeidet den Konflikt und zieht sich in sich selbst zurück. Bis ihr Sohn plötzlich verschwindet.

Was du zum Film wissen musst:
WILDE ROSEN von Anna Jadowska erzählt von einem Leben auf dem polnischen Land, wo jedes Haus ein großes Grundstück, aber niemand Privatsphäre hat. Das Drama um die 27-Jährige Ewa wird durch eine beobachtende Kamera erzählt. Viele Facetten des Films vermitteln sich nur durch die Mimik der Protagonistin. Ein stiller Film, ein bedrückender Film, der die Zuschauerin durch seine Subtilität zu bannen weiß. – EG

Weiterlesen: Hier die ausführliche Kritik „Ein vorgegebener Weg“ von Emily Grunert zum Film…

Termin bei fimPolska:
08.09. / 19:00 / Zeughauskino / Eröffnung der Retrospektive / zu Gast: Anna Jadowska