33. FFC: Spannender Einblick ins ost- und mitteleuropäische Filmschaffen


Eintauchen in die aufregende Welt des mittelost- und osteuropäischen Kinos beim 33. Filmfestival Cottbus (FFC)! Vom 7. bis 12. November 2023 warten Arthouse-Filme, Gesellschaftskomödien und Blockbuster, die einen faszinierenden Einblick in die aktuelle Filmszene Osteuropas bieten, darauf vom Publikum entdeckt zu werden.

Das FFC präsentiert als internationaler Branchentreffpunkt im Wettbewerb zwölf Spielfilme aus 19 (Ko)Produktionsländern, die alle um die begehrte Preisskulptur LUBINA (sorbisch: die Liebreizende) wetteifern. Elf dieser Filme haben bei diesem Festival ihre Deutschlandpremiere.
„Der Wettbewerb ist in diesem Jahr so vielfältig wie noch nie“, sagt Programmdirektor Bernd Buder und ergänzt: „Wir zeigen Filme vom Polit-Thriller LIBERTATE (Tudor Giurgiu, RO/HU 2023), der auf wahren Begebenheiten beruhend die Ereignisse während des Sturzes des Ceauşescus Regimes in Timișoara nachzeichnet– bis zur Kung Fu-Komödie THE INVISIBLE FIGHT (Rainer Sarnet EE/GR/LV/FI 2023), indem fliegende Mönche das Leben eines Heavy Metal Fans ganz schön durcheinander wirbeln.“

Dieses Jahr rückt das FFC die Filmländer Kasachstan und Ukraine in seinen Mittelpunkt, dazu gibt die Filmreihe „Was von Geschichte übrig bleibt“ einen tiefen Einblick in den Widerstand gegen kommunistische Diktaturen in Osteuropa.

Im U18 Wettbewerb Jugendfilm sind neun Filme vertreten. Die Filme zeigen die Rebellion und Melancholie der jungen Generation, die mit Nachdruck Fragen an die Elterngeneration stellt. Dabei geht es um sensible Außenseiter, hartgesottene Aussteigerinnen, Endzeitanklänge, Kriegstraumata, echte Liebe und deren Suche.

Wir haben uns einige Filme genauer angesehen, hier die Tipps von Stefanie Borowsky…

WUT AUF KUBA

Darum geht es:
Ihren Job im Secondhandshop ist Marlene (Lena Schmidtke) los. Und was jetzt? Alleinerziehend mit zwei Töchtern im ostdeutschen Plattenbau, schwieriges Verhältnis zur Mutter und zum Ex. Außerdem sind da Erinnerungen an Marlenes Opa, die sie verfolgen und immer stärker in den Vordergrund treten. Doch dann läuft ihr zufällig Sonne (Paula Kober) über den Weg – und plötzlich scheint alles ganz einfach: Das alte Leben hinter sich und die Kinder bei der Oma lassen, ein Huhn retten und sich selbst auf der Suche nach Abenteuer und der ganz großen Freiheit endlich wieder spüren. Marlene brennt mit Sonne durch – und die bringt, zumindest für einen Moment, Licht in ihr Leben, auch wenn die ganz große Reise die beiden nicht nach Kuba führt.

Was du zum Film wissen musst:
Unkonventionelles Roadmovie mit gesellschaftskritischem Tiefgang: Regisseurin Naira Cavero Orihuel, die auch das Drehbuch schrieb, drehte ihren Abschlussfilm der HFF München in Cottbus – und untermalt den Freiheitsdrang ihrer unangepassten Protagonistinnen mit unkonventioneller Musik wie etwa dem Song „Egal“ der Hannoveraner Frauen-Punkband „Bärchen & die Milchbubis“ aus den frühen 1980er-Jahren. Mit WUT AUF KUBA macht sie Lust aufs Aussteigen – und sei es nur um die Ecke, für einen kurzen Augenblick. – StB

Termine beim 33. FilmFestival Cottbus (Wettbewerb U18):
8. November 2023, 19:00 Uhr, Kammerbühne
9. November 2023, 12:30 Uhr, Glad-House

SUMMER ENDS SOON

Darum geht es:
Sommer 1990. Während die Welt Geschichte schreibt und der Wind of Change kräftig weht, hat der schüchterne Bakha aus Kasachstan nur einen Gedanken: Berta, das schönste Mädchen, das er je gesehen hat. Im Rückblick erzählt der sympathisch-verträumte Teenager den Zuschauer*innen von den kleinen und großen Ereignissen dieser spannenden Wochen: erste Liebe, erster Kuss, erste Eifersucht, Prügeleien auf dem Schulhof, illegale Konzerte, ein Einbruch, der strenge Vater – und der plötzliche Unfalltod des Leadsängers der sowjetischen Kult- und Lieblingsband „Kino“. Wenn Bakha nicht weiterweiß, versucht er, die Situation mithilfe von Hypnose zu beeinflussen, was nicht selten tragikomisch endet.

Was du zum Film wissen musst:
Feinfühliger Retro-Jugendfilm aus Kasachstan. Yana Skopina erzählt von Teenager Bakha und dem Sommer, in dem sich alles für ihn ändert. Die Regisseurin und Drehbuchautorin setzt dabei auf nostalgisch anmutende Bilder in gesättigten Farben, die in Erinnerung bleiben. Trotz des zeitlich und räumlich klar definierten Settings funktioniert SUMMER ENDS SOON als universelle und charmante Coming-of-Age-Geschichte. – StB

Termine beim 33. FilmFestival Cottbus (Wettbewerb U18):
9. November 2023, 18:00 Uhr, Kammerbühne
10. November 2023, 10:00 Uhr, Glad-House

EXCURSION

Darum geht es:
Wahrheit oder Pflicht spielen alle Teenager*innen – auch Iman aus Sarajevo und ihre Freund*innen. Auf der Suche nach Anerkennung behauptet Iman dabei, dass sie mit dem etwas älteren Damir zum ersten Mal Sex hatte, für den sie in Wirklichkeit nur schwärmt. Gefangen in ihrer eigenen unbedachten Lüge, die sich immer mehr verselbstständigt, erfindet Iman noch dazu eine Schwangerschaft – und wird schon bald zur Zielscheibe geschlechtsspezifischer Diffamierungen, die außer Kontrolle geraten.

Was du zum Film wissen musst:
Eindrücklich und feinfühlig inszenierter Coming-of-Age-Debütfilm aus Bosnien-Herzegowina mit einer rebellischen jungen Protagonistin, die ihr erstes Mal erfindet – und die Härte einer patriarchalischen Gesellschaft zu spüren bekommt. Regisseurin Una Gunjak, 1986 in Sarajevo geboren und für EXCURSION 2023 in Locarno mit der Special Mention – Filmmakers of the Present ausgezeichnet, entlarvt die konservativ-patriarchalische bosnisch-herzegowinische Gesellschaft mit messerscharfer filmischer Präzision und erzählt auf fast schon dokumentarische Weise von ihrer nicht nur in sexueller Hinsicht selbstbestimmten jungen Protagonistin, großartig gespielt von Asja Zara Lagumdžija. EXCURSION war gleich in mehreren Kategorien in der Vorauswahl für die Nominierungen für die European Film Awards, die am 9. Dezember 2023 verliehen werden. – StB

Termine beim 33. FilmFestival Cottbus (Wettbewerb U18):
10. November 2023, 17:00 Uhr, Kammerbühne
11. November 2023, 10:00 Uhr, Glad-House

ROLE MODEL

Darum geht es:
Von dem Umzug in die Kleinstadt hatten sich der 14-jährige Jan und seine frisch geschiedene Mutter Maja mehr erhofft. Nach mehreren Lockdowns findet endlich wieder Präsenzunterricht statt, doch Jans Freude auf seine neue Schule währt nicht lange. Die Mitschüler*innen mobben ihn – und seine 45-jährige Mutter, die als Schulpsychologin an derselben Schule arbeitet, kann ihm auch nicht helfen. Da kommt Jan der Kontakt zu seinem gleichnamigen älteren Nachbarn gerade recht. Doch als der sich als gewalttätig und unberechenbar entpuppt und Jans alkoholkranke Mutter wieder zu trinken beginnt, droht die Situation aus dem Ruder zu laufen.

Was du zum Film wissen musst:
Tragikomisch-düstere Coming-of-Age-Geschichte, sichtbar gedreht in Pandemiezeiten. Regisseur, Drehbuchautor und Schriftsteller Nejc Gazvoda, 1985 in Slowenien geboren, bleibt nah bei seinem Protagonisten und zeigt in ROLE MODEL neben Mobbing in der Schule und einer dysfunktionalen Mutter-Sohn-Beziehung auch die psychologischen Folgen der Pandemie auf – vor allem, aber nicht nur für junge Menschen. – StB

Termine beim 33. FilmFestival Cottbus (Wettbewerb U18):
7. November, 17:00 Uhr, Kammerbühne
8. November, 12:30 Uhr, Glad-House

Tamara

Darum geht es:
Tamara (Linda Pöppel), 1990 geboren und damit ein Nachwendekind, hat die ostdeutsche Provinz, in der sie aufgewachsen ist, längst verlassen. Jetzt müssen ihre Eltern das Haus räumen, in dem sie ihre Kindheit verbracht hat. Tamara fährt nach Hause – und muss nicht nur mit dem plötzlichen Unfalltod ihres Vaters zurechtkommen, sondern sich auch ihrer Herkunft stellen und das schwierige Verhältnis zu ihrer Mutter Barbara (Lina Wendel) aufarbeiten, die ihr mehr verschwiegen hat, als Tamara je geahnt hätte.

Was du zum Film wissen musst:
Regisseur Jonas Ludwig Walter studierte zunächst Fotografie an der Ostkreuzschule, danach Regie an der Filmuniversität Babelsberg. In seinem Abschlussfilm TAMARA, dessen Drehbuch er auch schrieb, verarbeitet der 1984 in Potsdam geborene Walter Brüche und Leerstellen in seiner eigenen DDR-Familiengeschichte und seiner Identität als Kind eines Landes, das es nicht mehr gibt. Das deutsch-deutsche Drama TAMARA war 2023 u. a. in den Wettbewerben der Filmfestivals Max Ophüls Preis und Achtung Berlin zu sehen. – StB

Termin beim 33. FilmFestival Cottbus (Spectrum):
8. November 2023, 16:30 Uhr, Weltspiegel Großer Saal