„Die Croods“ von Chris Sanders und Kirk De Micco


Familie Crood: Große Fragen über Zivilisation und Fortschritt tun sich auf. Foto: Twentieth Century Fox

Familie Crood: Große Fragen über Zivilisation und Fortschritt tun sich auf. Foto: Twentieth Century Fox

Philosophie im Farbrausch

Die Ingredienzien für einen 3D-Animationsfilm sind meist ziemlich ähnlich. Man nehme eine Handvoll stereotyper Charaktere, rühre sie in ein futuristisches, historisches oder märchenhaftes Abenteuer jenseits unserer Realität und dekoriere das ganze zum Schluss noch mit ein paar drolligen Viechern. Im Prinzip nicht schwieriger, als wenn man eine Tütensuppe in kochendes Wasser kippt und anschließend ein bisschen Petersilie drüberstreut. Kein kulinarisches Highlight, aber man kann’s essen. Wer selten Animationsfilme schaut, misstraut demnach schnell seinem eigenen Urteil, denn was sich eben noch nach Verzauberung, liebevoller Inszenierung und Bildgewaltigkeit angefühlt hat, ist möglicherweise doch nur ein altbewährtes Rezept à la Maggi Fix. Aber vielleicht sollte man dabei mehr auf sein Bauchgefühl vertrauen.

In jedem Fall fühlt sich DreamWorks‘ „Die Croods„, der auf der Berlinale seine Premiere erlebte, alles andere als nach zusammengepanschtem Fastfood an, auch wenn die Geschichte um die sechsköpfige Höhlenfamilie sich auf den ersten Blick eher simpel gestaltet. Eep, ein hübscher, prähistorischer Teenager, rebelliert gegen die strengen Vorgaben des Vaters Grug, demzufolge die gesamte Welt jenseits des primitiven Familiendomizils gefährlich ist. Ihrer Neugierde folgend, trifft sie auf den gleichaltrigen Guy, der bereits die nächste Stufe der Humanevolution erreicht hat und das Ende ihrer vertrauten Umgebung prophezeit. Als die Höhle der Croods bei einem Erdbeben einstürzt, gilt es mit Hilfe von Guy, ein neues Zuhause zu finden.

Was folgt, ist ein psychedelischer Bilderrausch par excellence. Eben noch in einer schnörkellosen Umgebung aus Braun- und Grautönen beheimatet, explodieren vor den Augen der pilgernden Croods und denen des Zuschauers nun satte Knallfarben in rasanter Geschwindigkeit. Regenbogengebadete Lebewesen in abstrusesten Formen, die mit der tatsächlichen Evolutionskette natürlich in keinerlei Referenz stehen, kreuzen ihren Weg. Farbklekse prasseln energisch auf die eigene Netzhaut nieder, jetzt bloß nicht blinzeln. Das einzige Kind in der Pressevorführung – man weiß nicht, wie das da hingekommen ist – flüstert vom Nachbarsitz ein ehrfürchtiges „Wow“ herüber. Man kann sich nur anschließen. Wow.

Doch der Film lässt darüber hinaus auch Raum für jene Kinophilosophen, die sich mit kindgerechten Moralplattitüden über Liebe, Freundschaft und Familie nicht zufrieden geben wollen: Die erdrückende Realität der dunklen Höhle weicht der imposanten Schönheit des Lichts, Platons Höhlengleichnis goes 3D. Die sich verändernde Vater-Tochter-Beziehung zwischen Grug und Eep liefert psychoanalytischen Zündstoff zur Zeit der Entdeckung des Feuers. Große Fragen über Zivilisation und Fortschritt tun sich auf. Nach all den Glorias, Binoches und Deneuves, die während der Berlinale mit ihrer eigenen, intellektualisierten Seelenevolution kämpften, lehrt uns „Die Croods“ aber vor allem eines: Das Staunen über eine Welt, die uns fremd und fantastisch-überzeichnet erscheint, gleichzeitig aber doch so vertraut ist.

Alina Impe

Die CroodsRegie/Drehbuch: Chris Sanders und Kirk De Micco, Darsteller: Catherine Keener, Nicolas Cage, Emma Stone, Ryan Reynolds, Clark Duke, Cloris Leachman, Kinostart: 21. März 2013