„Cheol won gi haeng“ („End of Winter“) von Dae-hwan Kim


Regisseur Kim Dae-hwan. © 2015 Lotte Entertainment All Rights Reserved

Regisseur Kim Dae-hwan. © 2015 Lotte Entertainment All Rights Reserved

Wie ein roter Faden zieht sich das Motiv des Essens durch den ganzen Film. Die Tagesstruktur orientiert sich an den gemeinsamen Mahlzeiten, die fast ausschließlich wortkarg eingenommen werden. Das gemeinsame Essen innerhalb einer Familie, gerade in einer modernen, schnelllebigen Gesellschaft, gehört sicherlich zu einem wichtigen Ritual für den Zusammenhalt. Es bietet die Möglichkeit, sich auszutauschen und sich zumindest regelmäßig zu sehen. Während koreanischer Mahlzeiten rückt man im wörtlichen Sinne näher, denn meist sitzen alle gedrängt um einen flachen Tisch, die Stäbchen und Löffel kreuzen sich in der Mitte des Tisches, es gilt als höflich, den älteren am Tisch auszuschöpfen und einzuschenken, ohne dass sie dies selbst machen müssen. Diese erzwungene physische Nähe steht in „Cheol won gi haeng“ in starkem Kontrast mit der gezeigten Realität, in der keine Unterhaltung stattfindet, alle etwas betrübt dasitzen und eigentlich am liebsten wieder weg wären. Während eines Restaurantbesuchs mit der Schwiegertochter zeigt die Mutter (Young-Ian Lee) zum ersten Mal Schwäche und erleidet einen Weinkrampf. Beim Bankett zu seinen Ehren trinkt Herr Kim (Chang-gil Moon) zu viel, lässt sich gehen und zeigt Zorn und Unsicherheit, nachdem er bis dahin sein Seelenleben kontrollierte.

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Cheol won gi haeng“ ist ein ruhiger Film mit wunderschönen Bildern von koreanischen Schneelandschaften. Das Motiv des Schnees, der sich leise und leicht auf die Straßen legt, aber in der Maße zu einem nur schwer durchdringbarem Hindernis wird, könnte als Sinnbild für die Entwicklung der dargestellten Ehe angesehen werden. Dadurch dass Herr Kim jahrzehntelang dem Beziehungsproblem ausgewichen ist, wurde es unüberwindbar. Frau Kim verkörpert die Rolle der herrischen, ehrgeizigen und verwöhnten Mutter. Sie glaubt, mit einem unbeugsamen Auftreten, Stärke ausdrücken zu müssen und sich dadurch Respekt zu verschaffen. Ihr Söhne sind ihr aber schon längst entwachsen – und wie sich herausstellt auch ihr Ehemann. Indem sie die Schwiegertochter kritisiert, meint sie damit indirekt die Lebensentscheidungen ihres Sohnes, für den sie sich eine Lehrerin als Frau gewünscht hätte. Der Regisseur Dae-hwan Kim bestätigte im Gespräch, dass ihn diese Figur besonders fasziniert habe. Sie entspreche nicht dem Idealbild der koreanischen Mutter, die um ein liebevolles, fast unterwürfiges Verhältnis mit Kindern und Ehemann besorgt sei. Tatsächlich ist dieser letztere Typ Mutter in koreanischen Filmen, etwa in ihrer extremen Form in Joon-ho Bong Film „Mother“ von 2009 verbreitet.

Der Film von Dae-hwan Kim erzählt von einem Mann, der den Mut hat, sein Leben zu ändern. „Warum lebst du nicht einfach weiter wie bisher?“, fragt ihn sein Sohn, wobei die Frage mehr ihm selbst zu gelten scheint als dem Vater. „Cheol won gi haeng“ stellt diesen Trennungswunsch als gar nicht so schlimm dar, zumal Scheidungen zumindest in der industrialisierten Welt wahrlich nichts Besonderes mehr sind. Korea hat eine Gesellschaft, die bisher an Traditionen festgehalten hat, sich aber immer mehr am so genannten Westen orientiert und dadurch auch soziale Umwälzungen durchmacht. Diese sind seit den 1960er Jahren, seitdem sich der koreanische Film immer mehr entwickelt hat, ein wesentliches Thema des sozialkritischen Films des Landes, dem das besprochene Werk als gelungener Beitrag zuzurechnen ist.

Teresa Vena

Cheol won gi haeng„, Regie: Dae-hwan Kim, Darsteller: Chang-gil Moon, Young-Ian Lee, Min-hyuk Kim, Sang-hee Lee

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