66. Berlinale: „Jug-yeo-ju-neun Yeo-ja“ („The Bacchus Lady“) von E J-yong


Der koreanische Regisseur E J-yong („Untold Scandal„, Berlinale 2004) greift in seinem Film gleich mehrere Themen auf, die in seiner Gesellschaft als Tabus gelten. Altersarmut ist in Korea immer präsenter. Das liegt an einer allgemeinen Überalterung der Gesellschaft, wie sie auch bei uns festzustellen ist, und einem allmählichen Aufbrechen der Familie als soziales System, so dass ältere Menschen sich selbst überlassen werden. So-young verdient ihr Geld als Prostituierte, um ihren Sohn, der in den USA lebt, finanziell zu unterstützen – so zumindest die offizielle Version. Als Putzfrau möchte sie nicht arbeiten, also bliebe ihr nur diese Option. Einen Ersatz für eine eigene Familie findet sie in ihren beiden Nachbarn, einer Transsexuellen und einem alleinstehenden Spielzeugbauern mit einem künstlichen Bein. Zusammen bilden sie eine Gruppe von der Gesellschaft marginalisierter Individuuen, die aus konventionellen Lebensmustern herausfallen.

Das Recht auf den eigenen Freitod im Alter, beispielsweise wenn man gesundheitlich eingeschränkt ist, gehört nicht nur in Korea zu einem heftig umstrittenen und zum Teil kriminalisierten Thema. Korea allerdings weist im internationalen Vergleich eine außerordentlich hohe Selbstmordrate unter der älteren Generation aus, was insbesondere mit dem Hineinschlittern in eine Altersarmut begründet wird. Der Film geht sensibel und differenziert damit um. Ein ebenfalls interessantes Motiv, das hier nur angeschnitten wird, betrifft die offenbar in einer höheren Zahl vorhandenen Zweitfamilien koreanischer Männer in Thailand, Vietnam oder den Philippinen, die, wie im Film, zum Beispiel während eines Studienaufenthaltes entstehen und zurück in der Heimat aus rassistischen Gründen nur schwer akzeptiert würden.

Eindeutig als große Stärke des Films anzusehen, ist der Verzicht auf übermäßigen Pathos. Die Schauspieler, allen voran Young Yuh-jung („Boomerang Family„, 2013) in der Hauptrolle, agieren mit einer zurückhaltenden, und daher realistisch erscheinenden Mimik und Gestik. So-youngs teilweise zynischen und bissigen Bemerkungen, wenn sie beispielsweise ihren Kolleginnen Parolie bietet, sorgen wiederholt für Erheiterung, auch wenn es sich zweifelsohne um Situationen handelt, die für die ganze industrialisierte Welt an Relevanz und Ernsthaftigkeit besitzen.

Teresa Vena

Jug-yeo-ju-neun Yeo-ja“ („The Bacchus Lady„), Regie: E J-yong, Darsteller: Young Yuh-jung, Chon Moo-song, Yoon Kye-sang, An A-zu, Choi Hyun-jun

Termine bei der 66. Berlinale:
Sa 13.02. 18:30 IL Kino
Sa 13.02. 22:45 CineStar3
So 14.02. 22:30 Cubix 7
So 14.02. 22:30 Cubix 8
Mi 17.02. 17:45 CineStar 3
Sa 20.02. 17:00 International

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