66. Berlinale: „Lao Shi“ von Johnny Ma
Wie viel Zivilcourage können wir uns leisten?
Eine Traube von Menschen steht am Wegrand über einen bewusstlos am Boden liegenden jungen Mann gebeugt. Etwas abseits telefoniert ein anderer mit dem Notruf, der verspricht, schnellstmöglich Hilfe zu schicken. Der Mann, der mit seinem Taxi den Unfall mit dem Motorradfahrer provoziert hat, entscheidet sich dafür, den Verletzten selbst ins nächste Krankenhaus zu fahren und rettet ihm damit das Leben.
Doch für die Polizei und die Versicherungen gilt nur, dass er sich nicht an die Vorschriften gehalten hat, die verlangen, dass man am Unfallort bleibt, bis die Ambulanz kommt. Einzig das Protokoll zählt. Es gibt keine Argumente, die dagegen ankommen. Welche Konsequenzen seine Entscheidung nach sich ziehen würden, hätte sich Lao Shi (Chen Gang) niemals vorstellen können. Niemand übernimmt die Kosten der Behandlung des Verunglückten, wenn er sich nicht dazu bereit erklärt. Da der junge Mann noch lange Zeit im Koma bleibt, steigen diese immer weiter an.
Lao Shis Ehefrau sieht allerdings nicht ein, wieso sie ihre eigenen Ersparnisse und den Wohlstand ihrer Familie für einen Fremden riskieren sollte. Sie räumt das gemeinsame Konto leer und geht erst einmal auf Abstand. Doch das Verantwortungsgefühl Lao Shis lässt ihn nicht aufgeben. Er versucht, sich Geld zu leihen und verdient es auf dem Bau. Gleichzeitig geht er einer neuen Spur nach, um gegenüber Polizei und Versicherungen, den Unfall beweisen zu können. In seinem Taxi findet er das Mobiltelefon des Fahrgastes wieder, der den Vorfall erst ausgelöst hat. Der Mann war zum Zeitpunkt dermaßen betrunken, dass er Lao Shi ins Lenkrad griff und es deswegen zur Kollision kam. Lao Shi findet den Mann, aber seine Reaktion fällt nicht wie erhofft aus.